"GOING OUT OF MY HEAD - ADVENTURES ON THE INDIE DANCEFLOOR 1995-1999": ZENIT DER SPASSGESELLSCHAFT
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Dazwischen fanden sich einige Gruppen, deren Zuordnung zu oben genannten Genres nicht funktionierte. The Prodigy beispielsweise waren mit ihrem Album "Music For The Jilted Generation" (1995) ein Wanderer zwischen den Klangwelten. Ebenso brachten The Chemical Brothers mit "Dig Your Own Hole" (1997) ein Meilenstein ungebändigter Elektronik auf den Markt. Zum Schluss setzte Norman Cook, der gerade Freak Power (mit ihrem Radio-Dauerbrenner "Turn On, Tune In And Cop Out") verlassen hat, als Fatboy Slim neue Maßstäbe in Sachen Remixing und Beatbastelei. Das 1998er Album "You've Come A Long Way, Baby" ist nach wie vor ein gut zu hörendes, weil vielschichtiges und detailverliebtes Werk.
Jene drei genannten waren nur der Spitze einer Bewegung, die irgendwann mal den Namen Big Beat verpasst bekommen hat. Doch war dieser Begriff nur der dürre Versuch, etwas zu kategorisieren, was sich gar nicht mit einem Terminus einfangen ließ. Dafür war der "Indie Dancefloor" viel zu divers und permeabel. Davon zeugt die vier CD starke Zusammenstellung "Going Out Of My Head - Adventures On The Indie Dancefloor 1995-1999", auf der sich natürlich oben genannte Projekte wiederfinden - sei es als Remixer oder mit einem eigenen Song vertreten. Doch wer tiefer in die teilweise chaotische Alternativszene eintauchen will, kann das mit vorliegendem Kompendium machen.
Dieses beschränkt sich dabei auf die musikalischen Ereignisse in Großbritannien und ist als Weiterführung der ersten "Adventures On The Indie Dancefloor" gedacht, die sich mit dem Phänomen des Manchester Rave befasste, der fast zeitgleich mit der Schließung der ersten Anlaufstelle, dem Club "Fac 51 Haçienda", endete. Doch die Musik und der Wunsch nach ultimativer Vermischung war immer noch da. Die Produktionen wurden jedoch ausgefeilter und fetter.
Weiterhin schaffte es insbesondere die britische Indie-Szene Rock, Pop, HipHop und Techno erfolgreich unter einen Hut zu bringen und mittels geschickter Remix-Künste erfolgreich zu vereinen. So nimmt beispielsweise "On Your Own" im Crouch End Broadway Mix bereits das vorweg, was Frontmann Damon Albarn mit seinem Nachfolgeprojekt Gorillaz verfeinern sollte. Dagegen ist aus der Schmerzballade "Brazen (Weep)" von Skunk Anansie durch den Remix von Dreadzone ein cooler Housetrack geworden. Wie gesagt: "Anything Goes!"
Selbst der französische Komponist Pierre Henry, der bereits 1967 ein programmatisches Stück namens "Psy Rock" aufgenommen hatte, wird durch Fatboy Slims Remix in das neue Jahrtausend verfrachtet (wobei das Ausgangsmaterial per se um Jahrzehnte seiner Zeit voraus und daher dankbarer Remix-Stoff war). Auch Sonny & Chers "The Beat Goes On" erfuhren seinerzeit durch The All Seeing I ein ansprechendes Trip-Hop-Upgrade mit Bossa-Nova-Einschlag.
Natürlich dürfen bei dieser Aufzählung The Prodigy ("Breathe") ebenso nicht fehlen wie Cornershops Dauerbrenner "Brimful Of Asha", der im Remix von - wieder einmal - Norman Cook bis heute als markanter Song für Werbe- und Fernsehjingles überlebt hat. Der Titel der CD-Box stammt übrigens von dem gleichnamigen Song von Fatboy Slim, der sich ebenfalls auf diesem Querschnitt durch ein halbes Jahrzehnt wiederfindet. Daneben gibt es ein Wiedersehen mit Jimi Tenor ("Walkie Talkie"), Morcheeba ("Part Of the Process"), Leftfield ("Song Of Life", Phat Planet") und noch vielen weiteren.
Doch wie so oft sind es die eher unbekannteren Stücke, die damals nur eingefleischten Szenekennern vorbehalten blieben und jetzt darauf warten, wiederentdeckt zu werden. Wie das barocke "12 Reasons Why I Love Her" von My Life Story, das sich, musikalische wie gesanglich, fast schon unverschämt bei Marc Almonds "Tears Run Rings" bedient, aber trotzdem oder gerade deswegen verfängt. Oder "Dog In The Piano" von The Indian Ropeman, ein auf einen Scherzanruf der damals beliebten Jerky Boys basierter Big-Beat-Stomper. Auch der Live It! Club Mix verwandelte den Brit-Pop-Schinken "Neighbourhood" von Space in einen Technotrack im Geiste von Underworld und den Chemical Brothers.
Es ist diese schier unbändige kreative Energie der Musikerinnen und Musiker, gepaart mit dem Wunsch, musikalische Grenzen zu überschreiten, die dazu führten, dass die damalige Spaßgesellschaft ihren Zenit mit entsprechender Musik voll auskosten konnten, ehe mit dem 11. September 2001 eine neue Zeitrechnung begonnen hat, die dieser hedonistischen Lebenseinstellung keinen Raum mehr geben sollte. Dass aber viele Projekte, die auf "Going Out Of My Head" immer noch aktiv unterwegs sind, belegt einmal mehr die Wichtigkeit dieser wenigen Jahre vor dem Millennium.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 22.04.25 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 5/25>
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IM PROFIL: RICHARD ANDERSON (KURATOR DIVERSER SAMPLER FÜR CHERRY RED)
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© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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