MANDO DIAO "AELITA": KNALLBONBON DES GRAUENS - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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MANDO DIAO "AELITA": KNALLBONBON DES GRAUENS

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Zunächst waren wir überrascht: Als die Rundfunkstationen Mando Diaos "Black Saturday" in ihre Laufpläne integrierten, begannen unsere Herzen etwas schneller zu schlagen. Denn in diesem Lied erwacht nach langer Zeit der alte New-Romantic-Geist durch pointiert wehmütige Synthesizerklänge wieder zu neuem Leben. Dass die Radio-DJs in pavlov'scher Manier Vergleiche mit Billy Idol und Joy Division ziehen, scheint wohl eher dem vermutlich eher realitätsfernen Pressetext entsprungen zu sein. Eine gewisse Neugier auf das dazugehörige Album "Aelita" machte sich dennoch breit. Am Ende bewahrheitet sich aber die Regel: Ein guter Song macht noch lange kein tolles Album.

Dabei hätte es ein geniales Werk werden können. Schließlich zeigten sich die Schweden in den letzten Jahren äußerst wandelbar und experimentierfreudig. Angefangen als amtliche Indie-Rock-Truppe, schafften sie es vor fünf Jahren, mit ihrem Hit "Dance With Somebody", alternative Gitarrenklänge für die Chucks-Träger-Fraktion ohne größeren Gesichtsverlust in die Diskotheken des Landes zu verfrachten. Durch die Mitarbeit am gesamtkünstlerischen Projekt Caligola intensivierten Mando Diao die Beziehung zur elektronischen Musik weiter – auch dank eines für die Musiker schicksalhaften Präsents in Form des Aelita-Synthesizers.

Kleiner Exkurs: Aelita ist ein russischer Synthesizer-Produzent, der seinerzeit das sowjetische Pendant zu Moog oder Roland war. Die analogen Sythesizer bestachen durch gute Qualität, besaßen aber weitaus benutzerunfreundlichere Technik. Das hielt die Männer um die beiden Sänger Gustaf Erik Norén und Björn Hans-Erik Dixgård jedoch nicht davon ab, sich eingehend mit diesem Instrument zu beschäftigen. Immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, war der Aelita-Synthesizer genau das richtige Geschenk für das Sextett. So fußt das neue Album "Aelita" also komplett auf den geradezu antik-schwülstig zu nennenden Tönen und Effekten, die das Gerät im Laufe der Produktion ausspie.

Das ist an sich so schlecht nicht, und "Black Saturday" lässt erahnen, wie solch eine Fusion aus alten Sounds und neuer Produktionstechnik hätte funktionieren können. Leider haben Mando Diao aber die Möglichkeiten, die ihnen gegeben waren, nicht vollends ausgeschöpft. Nachdem die eingängige Single das Album eröffnet hat, passiert zunächst einmal herzlich-schmerzlich wenig. Erst am Ende greift "Romeo" mit seinem drückend-gegenläufigen Synthie-Bass und einem fordernden Schlagzeug die Energie des Einsteigers wieder auf.

Dazwischen scheint es aber so, als suchen Mando Diao (auf "Rooftop" oder "Wet Dreams") noch nach der geeigneten Formel, um Rock-Strukturen und elektronische Töne in Einklang zu bringen, ohne dabei in Offensichtliches abzurutschen. Mit dem Ergebnis, dass sich die Stücke orientierungs- und spannungslos ins synthetische Nirwana verabschieden. Erst das verschleppte "If I Don't Have You" in der Mitte des Albums lässt mit angedeutetem Sprech-Gesang, putzigen Vocoder-Effekten, erdigen Flächen und einem fiependen Synthesizer die Grundidee der Platte erahnen. Und "Baby", das wie der letzte Track "Make You Mine" auf einem zurückhaltenden Glam-Shuffle aufbaut, gestaltet sich mit seinen sphärischen Klangteppichen und allerlei kitschigen Weltraum-Geräuschen gar zu einer Verbeugung vor Pionieren wie Jean-Michel-Jarre oder Giorgio Moroder. Das mag vielleicht auch der prominenten Mithilfe von Jan Hammer (der Mann hinter dem "Miami Vice"-Soundtrack) geschuldet sein.

Genau hier jedoch beginnt "Aelita" problematisch zu werden. Der Hörer bleibt über die knappe Stunde, die das Album dauert, im Unklaren darüber, ob Mando Diao nun eine Retro-Platte veröffentlichen, oder die alten Sounds doch eher in die Jetzt-Zeit transportieren wollten. Im schlimmsten Fall gipfelt diese Unentschlossenheit in Tracks wie "Child", das, mit unsäglicher Lindsay-Stirling-Gedächtnis-Fidelei durchtränkt, einfach nur nervig ist.

Apropos nervig: Das ist auch das Albumcover samt zugehörigem Booklet. Das Artwork ist der digitale Super-GAU. Ganz so, als wäre das Bildbearbeitungsprogramm Amok gelaufen, sind die Seiten mit unstrukturierten Formen übersäht, eingetaucht in Augenkrebs-erregende Farben. Songtexte? Bandfotos? Credits? Fehlanzeige! Diese Radikalität mag sicherlich gewollt sein und dem visuellen Konzept der Jungs entsprechen; dennoch fühlt man sich unangenehm an die katastrophalen Farbexplosionen diverser Rave-CDs der Mittneunziger erinnert, von deren Designs man hoffte, sie würden nie wieder zurückkehren. So wie beispielsweise Hardsequencers' "Brain Crash" oder Ravers Natures' "La Monza". Fürchterlich!

Unterm Strich scheitert das Comeback der Schweden leider. Und das nicht nur an der Belanglosigkeit, sondern auch, weil es den im übrigen viel zu langen Liedern einfach an Saft, Kraft und Pepp fehlt. Dabei hätten sich Mando Diao doch einfach nur in ihrem Heimatland umschauen müssen: Eine florierendere Electro-Pop-Szene, die genügend Inspiration liefert, gibt es anderswo kaum. Nur in einem Punkt hat "Aelita" die Nase vorn: Es könnte mit seiner Knallbonbon-Optik glatt den Preis für das schlechteste Artwork 2014 gewinnen.


|| AUTOR: DANIEL DRESSLER // DATUM: 02.04.2014||






BILDQUELLE © VERTIGO BERLIN/UNIVERSAL




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