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ANIQO "BIRTH": EINFACH GROSS-ART-IG

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Mit "Vivre Libre" beginnt Aniqos Debut-Album "Birth", mit "Love Life" endet es. Klingt alles verdammt nach hippieesker Fröhlichkeit - freies Leben und dieses dann auch in vollen Zügen lieben. Doch sind sie nur die freundlichen Klammern, welche die Musikerin, die sich nicht mit irgendwelchem halbgaren Happiness-Firlefanz rumschlägt, gesetzt hat. Dazwischen wird es aber hochdramatisch und ausladend anspruchsvoll. Jeder Ton, jede Silbe bei Anita Goß, wie Aniqo bürglerich heißt, ist von tiefer Bedeutung.

Das Eröffnungsstück ist also eine geschickt gelegte Finte, die vordergründig das Leben feiert und den Hörer in einen wohlige Feel-Good-Modus versetzt. Doch bereits das nachfolgende "Balance" taucht die Szenerie in schummriges Licht. Schmeichelnde Pianolinien und sehnsüchtige Gitarrenakkorde, die in der Mitte von thereminartigen Klängen und Streicherimitationen begleitet werden, besitzen zwar noch den euphorischen Pathos des Openers, doch die ersten dunklen Wolken sind am Horizont wahrnehmbar.

Sprichwörtlich tiefer in die Tristesse taucht das nautische "Deep Sea Fish" ein, das aber immer noch mit einer ungewohnten Leichtfüßigkeit die Schwere des Lebens besingt. "I'm sinking deeper like deep sea fish" kann dabei als rigorose Hinwendung zum Leben verstanden werden - ein Eintauchen in all die Emotionen, die von der Existenz bereit gehalten werden. Natürlich sind diese nicht nur positiv behaftet. Und so driftet auch der anfänglich helle Klang des Albums immer mehr in einen psychedelischen Dark Pop ab, der bei dem apokalyptischen "Fear" noch in, traditionell von Klavier und Saiteninstrumente begleiteten, mollschwangeren Themen daherkommt, in "Birth" und "Must Surrender" eine weitere Ebene öffnet.

Besonders bei "Must Surrender" wandelt sich die Stimmung zusehends. Aniqo schreitet vom Dark Pop in einen wesentlich experimentelleren Klang, der seinen eindeutigen Höhepunkt im anspruchsvollen "The Sea" findet. Hier weichen sämtliche bisher angewandte Songmuster einer hypnotischen Klangfolge, die einem Bewusstseinsstrom zu folgen scheinen. Ein paar scheinbar orientierungslose Trompeten und breite, kristalline Syntheiflächen zeichnen dieses Stück aus. Diese Intensitiät wird vom nachfolgenden "Go On" übernommen, wobei das Saxofon und erneut dicht gewebten Synthieteppiche wieder ein bisschen mehr Eingängigkeit zulassen.

Am Ende steht eben "Love Life", das wie einst Tasmin Archers "Sleeping Satellite" in deutlichen Worten das Fehlverhalten der Gesellschaft darstellt. Aber nicht in Form einer Predigt, sondern als Wunsch und als eine gesungene Rede wie ein Martin Luthers "I Have A Dream"-Ansprache. Aniqo hofft auf die große Liebe, die sich in den Menschen pflanzt, auf dass sie ihre Umwelt mehr achten und die Gier nach materiellem Reichtum einer Hinwendung zur Liebe und zum Leben an sich weicht.

All diese Stimmungen fängt Anita in ihrem Organ perfekt ein. Ihre gesangliche Bandbreite reicht von sonorem Gegrummel bis hin zu brust- und herzöffnenden Gesängen, die bisweilen von sparsam eingesetzten Überschlagungen ihres Organs abgerundet wird. Ihr gelingt etwas ganz seltenes: gleichzeitig abstrakt-künstlerisch zu klingen, an den entscheidenden Stellen jedoch, wie bei "Day When Love Appears" sich zurücknimmt und damit eine anrührende Intimität schafft.

Um im Bild des Albumtitels zu bleiben: "Birth" ist so aufregend und grandios wie das Wunder der Geburt. Goß ist großartig, ihre Musik ist großartig. Es reichen keine Superlative aus, um den Impact dieses Werkes auf den Hörer zu beschreiben. Man muss sie einfach gehört haben!

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 17.03.22 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 4/22>

Webseite:
www.aniqomusic.com

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COVER © SPRINGSTOFF/BROKEN SILENCE
HANNE KOLSTØ "FOREVER MAYBE"
SARA NOXX "ENTRE QUATRE YEUXX"



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