ROBERT SCHROEDER "FLOATING MUSIC" VS. LA MACHINE "LA MACHINE QUI NE SERT À RIEN": DIE MASCHINEN TRÄUMEN
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Wenn ein Satz mit "früher" beginnt, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gerade gering, dass dieser mit "war alles besser" endet. Eine Feststellung, die bereits wissenschaftlich widerlegt wurde. Warum viele dennoch dieser Meinung sind, hängt einfach mit unseren Gefühlen für positive Erinnerungen unser Jugend- oder Jungerwachsenenzeit zusammen, in der vieles den Zauber des Anfangs besessen haben. Der erste Kuss, der erste Rausch, das erste Konzert, die erste eigene Wohnung und so weiter und so fort.
Richtet sich der verklärte Blick auf die Musik, sind da ähnliche Vorurteile. Früher war die Musik interessanter. Wirklich? Was man sagen kann: Musik hat sich vielleicht mehr getraut. Besonders in der elektronischen Klangerzeugung, die noch relativ jung ist. Denn mit Synthesizern zu hantieren glich zu Beginn wie ein Besuch in einem Experimentierlabor. Welche Knöpfe bewirken welche Töne? Wie verkabel ich den Moog, um einen gewünschten Klang zu bekommen? Elektronische Musik war eine Spielwiese, die keinerlei Anspruch besaß. Das machte sie wohl auch freier und unabhängiger.
Beim Aachener Robert Schroeder, der zu den ersten Synthie-Spezialisten überhaupt zählte und einflussreiches Mitglied der Berliner Schule rund um den im letzten Jahr verstorbenen Klaus Schulze war, bekommt man einen tiefen Einblick, welchen Stellenwert elektronische Musik vor rund 40 Jahren gehabt hat. Mit der Wiederveröffentlichung seines zweiten Albums "Floating Music", das erstmals 1980 auf den Markt kam (über Schulzes Label IC), gewinnt man einen Einblick in das damalige Verständnis synthetisch produzierter Musik.
Von der Presse damals als eine der besten Produktionen im Bereich der elektronischen Musik beschrieben, wirkt das Werk heute "gut gealtert", wie man so schön sagt. Die analoge Technik ist aus den Instrumentalen deutlich herauszuhören, ebenso die Leidenschaft für eine transzendente Auslegung, die durch spacige Soundscapes hervorgerufen wird. Hier manifestieren sich alle prototypischen Stilelemente der so genannten Berliner Schule. In "Floating Music" klingt noch das haschumwölkte Hippietum nach, aber die Gedanken richten sich schon gen technologisierte Zukunft.
Während die Vorzeige-Elektroniker von Kraftwerk sich in diesem Jahr an die Arbeiten zum bahnbrechenden Album "Computerwelt" machten, hat Robert Schroeder die Frage nach der Digitalisierung des Lebens hinter sich gelassen und einen Einklang zwischen Mensch und Maschine auf einer höheren Ebene angestrebt. Klingt alles verdammt nach New Age, ist es aber nicht wirklich. Dafür sind Stücke wie "Visions" oder "Divine My Future" noch zu kantig, um als bloße Musiktapete für Yoga-Übungen herzuhalten.
"Floating Music" festigte Schroeders Ruf, der nach seinem Debut "Harmonic Ascendent" von 1979 als vielversprechender Musiker einer anspruchsvollen Elektronik abseits vom aufkommenden Elektro-Kaugummi-Pop galt. Das Album kann dank der Wiederveröffentlichung neu entdeckt werden. Als Bonus gibt es mit "Floating In Slow Motion" einen 23-minütigen Bonus-Track, der sich gut in das Gesamtgefüge des Albums einpasst.
Dank Jean-Michel Jarre zählt auch Frankreich zu den wichtigen Ländern, die zur Popularisierung der Synthesizer-Musik beigetragen haben. Bis heute besitzt das Land eine lebendige Electro-Szene, besonders das Label Boredomproduct hält die Fahne der Retro-Elektronik hoch. Ihre Bands frönen alle einer ursprünglichen Synthesizer-Musik, die den Charme alter Songs besitzt, sich aber in ihrer Produktionsqualität natürlich als aktuelle Kompositionen verraten.
Das neueste Projekt La Machine setzt dabei voll und ganz auf Nostalgie. Der Titelsong "La Machine (qui ne sert à rien)", basiert lose auf den gleichnamigen französischen Chanson, die 1967 eine gewisse Dani eingesungen hat, ihres Zeichens Fotomodel, Schauspielerin und eben Chanteuse. Das Lied besitzt im Original eine sehr punkigen Touch, von dem in der Version von La Machine nicht mehr viel zu hören ist. In gemütlichem Kraftwerk-Tempo fiept und klonkt es über die von einer Basssequenz geführten Melodielinie. Der ausdruckslose Gesang von Éric UO (Celluloide) kehrt den anarchischen Nimbus von Dani um. Die Maschinen haben bereits zu träumen begonnen.
Ihre Liebe zur Pionierzeit elektronisch induzierter Tanzmusik machen sie ebenfalls durch die Coververion von Hot Butters unkaputtbarem "Pop Corn" deutlich. Aber auch hier sucht das Projekt einen anderen Weg. Die Geschwindigkeit wurde gedrosselt, die hektische Rhythmussektion des Originals durch verschleppte Snares und spröde Bassdrums ausgetauscht. Unter dem Strich eine gelungene Coverversion, die wesentlich spaciger daherkommt.
Ihre Zugeständnisse an die Gegenwart macht das Projekt indes auf eine andere Weise. In "F.F.P.2" besingen sie, nicht ohne Sarkasmus, die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen, die in Frankreich besonders zu Beginn des Ausbruchs deutlich härter ausgefallen sind, als es bei uns der Fall war. Totale Ausgangsbeschränkungen sowie polizeiliche Überwachung der Einhaltung der Quarantäne dürften bei unseren Nachbarn das Gefühl, in einem orwell'schen Staat zu leben, stark befeuert haben. Der bittere Unterton in diesem Song zeugt davon.
Dieser Testballon macht auf jeden Fall Laune und ist ein vorzüglicher Vorgeschmack auf das kommende Album "Contrôle Total", das zumindest vom Titel her einige dystopische Gedankengänge verspricht.
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COVER © SPHERIC MUSIC (ROBERT SCHROEDER), BOREDOM PRODUCT (LA MACHINE)
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© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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