5/24: TEVALIK, SWIRLPOOL, PINHDAR, GLAMOUR & GLOOM, DAN SCARY - AUF DER SUCHE NACH EINZIGARTIGKEIT - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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5/24: TEVALIK, SWIRLPOOL, PINHDAR, GLAMOUR & GLOOM, DAN SCARY - AUF DER SUCHE NACH EINZIGARTIGKEIT

Kling & Klang > KURZ ANGESPIELT > 2024
Was für ein Quantensprung! Als Tevalik vor rund drei Jahren ihr Debut "Own Rules" veröffentlichte, klang das männlich-weibliche Elektro-Duo zwar nicht schlecht, aber wenig griffig und in der Produktion noch ausbaufähig. Doch als hätte irgendjemand den Schalter bei Thorsten Schumacher und Michéle Pesch umgelegt, entstand aus dem Naja-Synthie-Pop des Erstlings ein spannender Sound, der auf "Schattenläufer" in aller epischer Breite präsentiert wird. Großartig ist dabei vor allem der deutliche Rückgriff auf alte EBM- und New-Beat-Elemente, wie man es beim Titelsong sehr gut erkennen kann. Aber auch "Codes & Crashes" arbeitet mit ungewöhnlichen wie knarzgien Sounds, die das revolutionäre Moment, welches der elektronischen Klangerzeugung einmal innewohnte, erneut aufflammen lässt. Das aus dem Rheinland stammende Zweiergespann hat bereits mit den Vorabsingles "Freakstreet" und "Netzhass" gezeigt, welche Talente in ihnen schlummern. Michéle überzeugt dabei in der Rolle der etwas unnahbar wirkenden Chanteuse, die die Texte, welche, dem Titel verpflichtet, sich mit Schatten-, beziehungsweise Randexistenzen unserer Gesellschaft drehen (abgesehen von dem sarkastischen "Tanzarroganz"), in relativ tiefer Stimmlage vorträgt, was ihr gleichzeitig etwas Herrisches verleiht. Sie passt auf jeden Fall perfekt zum rudimentären, archaischen Sound aus den Maschinen. Ein Stück wie "Nur ihre Tränen" bringen alle Vorzüge der neuen stilistischen Ausrichtung von Tevalik auf den Punkt. Mit "Schattenläufer" ist den beiden ein kleiner Geniestreich geglückt. In dieser Art und Weise darf es ruhig weiter gehen.

Bei Swirlpool hat es  einige Zeit gedauert, aber nun ist auch ihr erstes Album auf dem Markt. Bereits 2018 zeigte sich UNTER.TON von ihrer ersten EP "Camomile" schwer begeistert. Zwei Jahre später kam die Pandemie, die sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass es mit dem Erstling noch ein bisschen länger dauern sollte als vielleicht geplant. Aber wie heißt es immer so schön: Das Warten hat sich gelohnt. Die Regensburger Band hat auf "Distant Echoes" ihre Liebe zu sich auftürmenden Gitarrensounds bewahrt und wird damit jeden Freund gepflegter Schuhstarrermusik auf ihrer Seite wissen. Die fluffigen, mit ausladenden Reverbeffekten bedachten Songs sind die Hauptakteure, während Sänger Markus Kraus in einer eher verträumt-zurückhaltenden Art sich in das üppige Klangbett fallen lässt. Natürlich bedienen Swirlpool die Shoegaze-Manierismen, ohne sich aber zu sehr einem Klischee hinzugeben. "Camomile" deutete das bereits an, "Distant Echoes" bestätigt diesen Trend: "Nostalgia" und "Paranoia" stehen beispielhaft für die musikalische Vision der Band, die sich zwar auch um den großen Pop-Moment ihrer Kompositionen kümmern, aber in erster Linie eine alternative Rockband sein will, die sich deutlich vom Massengeschmack abhebt. In Summe haben wir es hier mit einem sehr gelungenen Album zu tun, das die große Geste liebt und sich nicht geniert, die Wall Of Sound so hoch zu ziehen, dass der geneigten Hörerschaft schwindlig werden kann. Erst im abschließenden "Drowned Voices" wird das Arrangement etwas runtergefahren. Und selbst dann sind Swirlpool immer noch spannend und hörenswert.

Der erste Song reicht bereits, um zu wissen, dass "A Sparkle On The Dark Water" mehr als nur das zweite Album des italienischen Duos Pinhdar, bestehend aus Sängerin Cecilia Miradoli und Musikproduzent Max Tarenzi, ist. "In The Woods" öffnet die große Gefühlskiste, in der Post Punk und Trip Hop eine liaison dangereuse eingehen. Durch diese besondere Mischung, in der sich rockige Gitarrenklänge zu eher getragenen Synthesizermelodien gesellen, eröffnet sich eine ganz eigenwillige Stimmung, die irgendwo zwischen Niedergeschlagenheit und tiefer Entspannung und seelischer Ausgeglichenheit pendelt. "Murderers Of A Dying God" und "Humans" repräsentieren die eigenwillige Atmosphäre der Pinhdar-Stücke, die sich lose an die tradierten italienischen Dark-Wave-Manierismen, wie sie Kirlian Camera einst aufgestellt haben, anlehnen und gleichzeitig den Anspruch besitzen, auch einem poporientierten Publikum gefallen zu können. Cecilia schmiegt sich den Songs dabei katzengleich an; ihr zumeist dunkles Organ unterfüttert die mitternächtliche Stimmung der Lieder auf "A Sparkle On The Dark Water". Die intime Stimmung korreliert mit den Themen des Albums, die sich in erster Linie um die Frage drehen, wie wir Menschen miteinander umgehen sollten, damit die Welt auch in Zukunft ein lebenswerter Ort bleibt. Trotz der sich breitmachenden Skepsis, die sich in den dunklen, mollschwangeren Sounds manifestieren, will Pinhdar nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern nach Lösungen suchen. "A Sparkle On The Dark Water" ist eine Meditation über die unperfekte Spezies Mensch, eingefangen in einem nahezu perfekten Klang aus Elektronik und Stromgitarren.

In Zeiten komplexer Sachverhalte sehnen sich die Menschen nach einfachen Antworten und Lösungen. Die wird es nicht geben. In der Musik aber sind die einfachsten Lösungen oftmals nicht die verkehrtesten. Glamour & Gloom ist das beste Beispiel dafür. Das Projekt um den Bremer Musikanten Lars Trimborn hat sich für sein zweites Album "Pat" wieder einmal dem verstörend-betörenden Sound einer Heimorgel verschrieben. Dem verzerrten Sound und pluckernden Rhythmusprogramm (in "Isolation" erreicht diese Melange fast schon Industrial-Charme) setzt er seine voluminöse Crooner-Stimme entgegen. Während die archaische Elektronik also recht kühl vor sich hinorgelt, verleiht Lars mit seinem sonoren Organ den Kompositionen einen gewisse Wärme - und auch Eingängigkeit. Doch immer schwingt die große Melancholie in Lars' Texten mit, weswegen man sogar Parallelen zu The Doors ziehen kann und - hört man sich den narrativen Duktus in "No Light" genauer an - sogar ein Leonard Cohen aus der Ferne das Whiskeyglas anhebt und Glamour & Gloom mit sanftem Lächeln zuprostet. In erster Linie ist "Pad" aber eine Reminiszenz an eine Zeit, als Popmusik nach der Punkexplosion eine Frischzellenkur erhielt und auf einmal alternative Sounds und unterschiedlichste Stilrichtungen die Charts enternten. Von dieser Goldgräberstimmung sind Songs wie "Stop" immer noch durchzogen. Auch wenn sich die Zeiten zwar geändert haben, tut es doch immer wieder gut, wenn ein Projekt wie Glamour & Gloom uns daran erinnert, wie man mit einfachen Mitteln großartige Momente schaffen kann. Es benötigt einfach nur die zündende Idee. Und diese finden sich auf "Pat" in großer Menge.

Bleiben wir noch ein bisschen in Norddeutschland und besuchen das beschauliche Südbrookmerland im Landkreis Aurich. Das ist tiefstes Ostfriesland, die Nordsee nicht weit. In diese Gefilde hat es Daniel Url mittlerweile verschlagen. Und dort also, wo sich Fuchs und Hase zur ostfriesischen "Tee Tied" treffen, hat er sein Alter Ego Dan Scary wieder zum Leben erweckt. "Die EntSARGung" winkt rein orthographisch schon mit dem Zaunpfahl. Denn einst zu Grabe getragen, hat der Musiker mit Drummer Julian einen neuen Partner an seiner Seite, der ihn tatkräftig unterstützt bei der Aufpolierung des alten Dan-Scary-Katalogs. Fast scheint es so, als habe der Umzug aus der Autostadt Wolfsburg raus aufs flache Land neue Energien freigesetzt. "Die EntSARGung" wirkt frischer, die Sounds und Produktion knackiger, ohne dabei den archaischen Punk-Geist seiner früheren Veröffentlichungen außer Acht zu lassen. Songs von Dan Scary waren seit jeher ein Konglomerat aus spröder Elektronik und punkiger Gitarrenbearbeitung, zu der Dan seine dystopischen Texte vorträgt, die wie in "Land der 1000 Leichen" die (a)sozialen Medien anprangert und in "Menschenfleisch" die gesamte Spezies mit seinen selbstzerstörerischen Tendenzen in Frage stellt. Ganz klar: Dan Scary hat immer noch eine riesige Krawatte, wenn er sich die gesellschaftspolitischen Entwicklungen in diesem Land und auf der ganzen Welt anschaut. Leider werden diese nicht unbedingt besser, und so bleibt dem Mann nichts anderes übrig, als weiter dem Volk aufs Maul zu schauen. Ob ihn Deichschafe und sanfter Wellenklang der Nordsee vielleicht etwas friedlicher stimmen werden? Wohl eher nicht - und das ist auch gut so!

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 16.04.24| KONTAKT | WEITER: VARIOUS ARTISTS "MOVING AWAY FROM THE PULSEBEAT">

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                           © ||  UNTER.TON |  MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014

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