BLOMA: "MARIHUANA, PARANOIA - UND JEDE MENGE KREATIVITÄT!" - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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BLOMA: "MARIHUANA, PARANOIA - UND JEDE MENGE KREATIVITÄT!"

Im Gespräch

Hi Paul! "Bloma" ist wirklich der Wahnsinn - eine unerwartete, aufregende Klangreise...

Dankeschön! Freut mich natürlich sehr, dass Ihr es ebenso aufregend und unerwartet findet wie ich.

Wie lang hat es gedauert, die CD fertig zu stellen? Und wie fing alles überhaupt an?


Das Album habe ich letztes Jahr im Februar angefangen und im September beendet. Nachdem ich meine erste EP unter dem Namen Child veröffentlicht hatte, war ich in der glücklichen Lage, über ein Aufnahmestudio zu verfügen, das voll mit feinstem Equipment gefüllt war. Die ersten Stücke entstanden in später Nacht, begleitet von Marihuana, Paranoia und jeder Menge Kreativität. Eigentlich wollte ich ja nur eine EP produzieren, aber es häufte sich einfach zu viel Material an, das ich unbedingt veröffentlichen wollte. Schließlich arbeitete ich an dem Album fast jeden Tag. Ich schloss mich ins Studio ein - und erschuf mir meine eigene kleine Welt. Wenn mich die Muse küsste, begann ich bereits um drei Uhr früh mit dem Musik machen. Ich war wie besessen; hörte meine Songs immer wieder an: Im Auto beim Nachhausefahren; über Kopfhörer vor dem Einschlafen – sogar während meines Jobs als Pizzalieferant. Ich notierte mir immer und überall die nächsten Arbeitsschritte. In einem Buch sind alle Stichpunkte verewigt. Es ist das Zeugnis des gesamten Entstehungsprozesses.

Du hast Dir dann den Namen Bloma gegeben. Im Booklet gibst Du zwei Definitionen des Wortes an: eines bedeutet "blühen", das andere "Metallklumpen"...


Eigentlich war es ein Fantasiewort, das mir in den Kopf kam, als ich stoned war. Ursprünglich sollte es der Titel des Stückes "Child" werden. Als ich dann aber erfuhr, dass dieses Wort tatsächlich in mehreren Sprachen existierte und ich auch noch die Definitionen dazu gelesen hatte, dachte ich mir: 'das ist zu schön, um wahr zu sein'. Von da an wurde Child zu Bloma.

Würdest Du also sagen, dass "Bloma" die perfekte Defintion deines Sounds ist?

Ich würde sagen, es ist eine verdammt Gute!

Dein Album mutet wie ein surrealistischer Trip an. Worum geht es in deinen Songs hauptsächlich?

Vielen Stücken wohnt das selbe Thema inne: M
eine Angst davor, dass meine Freundin mich verlassen würde. In "Thick" singe ich "Stay A While In My Prison", und in "Return" "Stay A While In My Tomb". Natürlich richte ich mich damit auch an meine Hörer, weil sie sich in gewisser Weise auch in meine Welt begeben. "Child" handelt beispielsweise von einer paranoiden Fantasie, die ich hatte, als ein Sicherheitsbeamter vor meinem Studio im Dunkeln stand und dem lauschte, was ich machte. Ich malte mir die düstersten Sachen aus! Am Ende fand ich den Song so furchtbar, dass ich dachte, nur kranke Menschen könnten ihn mögen. Meine Freundin, die diesen Song als Erste hörte, meinte, dass es das Beste sei, was ich je geschrieben habe.

Und welches Lied gefällt Dir besonders?

Mein Favorit ist ganz klar "Earthson". Es besitzt dieses tiefe, urwüchsige Gefühl. Und wie er in den schwebenden Teil übergeht, ist einfach nur toll. Ebenso auch, wie er wieder in diese raue Stimmung zurückfällt. Das Ende fühlt sich jedes Mal großartig an. Der Song ist einfach perfekt und nicht zu lang, sodass ich ihn mehrmals anhören kann. Und letzten Endes macht es riesigen Spaß, ihn auch live zu performen!


Wie entsteht so ein Stück?

Ich setze mich einfach an einen Track, den ich bereits in grobe Zügen erdacht habe. Mehr oder weniger zufällig entstehen dann weitere Sounds, die ich dann einbaue. Das können Drum Pattern sein oder manchmal auch ein Gitarrenriff. Bei "Deeper" habe ich beispielsweise einfach einige Akkorde gespielt, die zufällig dazu gepasst haben. Von diesem Punkt aus versuche ich dann, über die Grenzen hinaus zu gehen. Zwölf Stunden später bildet sich der Song schließlich aus. In jedem einzelnen Stück müssen einige Hürden überwunden und die Schlüssel gefunden werden, die mich zum Zentrum des Stückes bringen. An
einem gewissen Punkt muss so ein Song einfach explodieren. Danach fühle ich mich immer so, als würde ich gerade nackt herumlaufen - und jeder kann in mein Innerstes sehen. Ein ganz komisches Gefühl.

Auch uns hat "Earthson" besonders gut gefallen, da im Stück ein musikalischer Fortschritt zu erkennen ist. Du beginnst mit schweren Beats und schließt sehr leichtfüßig ab. Passieren diese Entwicklungen zufällig, oder sind sie bereits von vorneherein geplant?

Solche Dinge passieren instinktiv, während ich an den Liedern feile. Nichts ist im Vorfeld geplant. Ich weiß nie, was geschehen wird, aber ich weiß ganz genau, was mir gefällt. Es muss eben eine gewisse Genialität in den Sounds stecken. Manchmal gelingt so etwas. Aber dafür muss man immer 100 Prozent geben.

Deine Lieder wirken fast wie eine spirituelle Macht...

Als ich jünger war, habe ich jede Menge "Pilze" zu mir genommen. Das hat die Sicht auf meine Realität doch grundlegend beeinflusst :-)

Du singst sehr unterschiedlich: mal aggressiv und tief, mal leicht und klar, und manchmal rappst Du auch. Du scheinst von Natur aus neugierig zu sein und hast keine Berührungsängste mit anderen Stilen...

Ich liebe es in der Tat, Sachen auszuprobieren. Und ich liebe die unterschiedlichsten Genres! Diese beeinflussen natürlich auch meinen Stil. Außerdem bereitet es mir Freude, in ein und demselben Song zwischen Rap, Growl- und Popstimme zu wechseln. Übrigens finde ich es genial, wie Mike Patton von Faith No More in manchen Stücken die Boyband-ähnlichen Stimmen mit groovigem, heruntergefahrenem Metal mischt. Manchmal bin ich von solchen Songs, sogar nur von einigen Teilen innerhalb davon derart fasziniert, dass ich sie für die besten halte, die sie je gemacht haben. Solche Momente schließe ich in meine Erinnerungen ein und rufe sie wieder hervor, wenn ich sie für meine Arbeiten brauche.

Die ganzen Rave- und Techno-Sounds auf "Bloma" haben uns stark an die 90er erinnert. Eine aufregende Zeit, die auch deine Arbeit beeinflusst?

Definitiv ist mein Album stark von Aphex Twin beeinflusst. Ich finde es schwer, nicht von ihm beeinflusst zu sein!
Auch Massive Attack und ihre sphärischen Produktionen inspirieren mich. Ich mag aber auch Sachen von New Order und den ganzen Metal aus dieser Zeit – insbesondere Death Metal; und einige Sachen von den Deftones und Strapping Young Lad. Aber ich wollte auch etwas erschaffen, dass in dieser Form bislang noch nicht existiert. Musik zu machen bedeutet, sich die Welt so zu formen, wie man sie sich wünscht.

Wo wir schon so viel über Musik reden: Welche CD hörst du momentan am meisten?

Natürlich "Syro" von Aphex Twin. Diese Scheibe hatte ich eine ganze Weile in meinem Auto. Ich musste mich in das Album erst einmal reinhören, aber mittlerweile genieße ich diese Platte. Am meisten jedoch höre ich gerade die
"Harry Potter"-Bücher, gelesen von Stephen Fry. Ich bin von Darwin nach Melbourne gefahren: 3800 km in dreieinhalb Tagen. Und die ganze Zeit lief Harry Potter. Schließlich haben meine Frau und ich unser Auto "Harry" getauft.

Auch eine sehr spannende Geschichte: Deine Frau, die für das wunderschöne Artwork verantwortlich zeichnet, kommt ja aus Deutschland. Wie habt ihr Euch beide kennen gelernt?

Stimmt, sie hat ein wirklich tolles Artwork gemacht. Ich konnte es gar nicht glauben, als ich es das erste Mal sah!
Es wirkt wie aus einer anderen Welt, und ich würde gerne in ihren Malereien versinken. Wie wir uns getroffen haben? Ich reiste durch Australien als Anhalter. Mein Auto und all meine Besitztümer ließ ich damals hinter mir. Ein Rucksack und die alte, zwölfsaitige Gitarre meiner Mutter war alles, was ich dabei hatte. Als wir uns kennenlernten, lebte ich in Darwin und arbeitete als Vertreter für Solarzellen. Ich wohnte in einer Kommune im Regenwald. Iris kam als Rucksacktouristin ebenfalls dorthin. Ich hatte von Anfang an starke Gefühle für sie, was mich sehr kreativ werden ließ. Ich malte Bilder, schrieb Songs und Geschichten. Sie bemerkte schnell, dass die meisten Lieder von ihr handelten. Schließlich verließen wir die Kommune – und beschlossen, in einem Zelt am Strand zu leben. Unser Essen bereiteten wir an öffentlichen Grillplätzen zu; am Meer haben wir geduscht. Tagsüber war ich in der Uni mit meiner Musik beschäftigt; abends lieferte ich Pizzas aus. Nach Mitternacht sind wir dann zum Strand zurückgefahren und haben das Zelt wieder aufgebaut. Es war eine anstrengende Zeit. An einem Tag schließlich unternahmen wir einen Fallschirmsprung, sind auf dem Strand gelandet - und haben dann im Beisein von sechs Leuten geheiratet.

Wirlich erstaunlich! Mittlerweile hast Du ja auch Deutschland einen Besuch abgestattet. Was ist denn deiner Meinung nach "typisch deutsch"?

Ich liebe Deutschland! Vor allem das Essen ist so lecker und wesentlich günstiger als in Australien. Ich habe hier so viele Brezeln gegessen, wie ich nur konnte. Auch das Bier ist großartig!
Und man darf hier sogar in der Öffentlichkeit Alkohol trinken. Eure Bio-Läden sind beeindruckend und nicht so teuer wie bei uns. Und es ist vorbildlich, wie ihr erneuerbare Energien nutzt. Es gibt hier so viele Solarflächen! Witzig ist es allerdings, wenn die Solarparks im Winter vom Schnee bedeckt sind. In Australien wird zwar auch Sonnenenergie genutzt, aber nicht so flächendeckend. Und ich liebe es, auf der Autobahn zu rasen. Ich glaube, dass gleicht den Lifestyle hierzulande aus. Innerhalb der Musik-Community gibt es einen starken Zusammenhalt, und ich würde eines Tages wirklich gern hier leben! "Typisch deutsch"? Das wäre für mich, mit 200 km/h in einem BMW über die Autobahn zu preschen, an Windkrafträdern vorbei, während Sonnenstrahlen Regenwolken durchbrechen und auf Photovoltaikgruppen scheinen. Man ist auf dem Weg nach Berlin, um für 300 Euro Kraftwerk spielen zu sehen, natürlich mit einer Brezel in der Hand...

Gibt es einen Musiker oder eine Band aus Deutschland, die Dich fasziniert?

Oh ja -
Current Value! Seine obsessiven Rhythmen und ursprünglichen Soundscapes klingen genial. Vor allem seine Werke, die zwischen Mitte bis Ende der 00er Jahre veröffentlicht wurden, sind sehr einfallsreich und rebellisch. Ich habe ihn noch nicht in Deutschland live gesehen. Aber eines Tages gelingt mir das noch!

||INTERVIEW: DANIEL DRESSLER / ANTJE BISSINGER| DATUM: 19.02.15 |  KONTAKT |  WEITER: CD-KRITIK "BLOMA" >


Website/CD-Bestellung
www.bloma.org

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FOTOS / BLOMA ARTWORK © IRIS ANSTEY.

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