SPUNSUGAR "A HOLE FOREVER" VS. YAMA UBA "SILHOUETTES": WELTSCHMERZ, LASS DICH UMARMEN! - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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SPUNSUGAR "A HOLE FOREVER" VS. YAMA UBA "SILHOUETTES": WELTSCHMERZ, LASS DICH UMARMEN!

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In den späten 1970ern zur Welt gekommen, giert es dem Autor dieser Zeilen stets nach authentischen Berichten von Zeitzeugen der Jugend- und Subkultur der 80er Jahre. Tenor vieler der Befragten war die latente Unzufreidenheit mit der neongrellen Oberflächlichkeit, die im Massengeschmack sich breitmachte. Ihr Seelenheil fanden sie im aufkommenden Shoegaze und Bands wie My Bloody Valentine oder The Jesus And Mary Chain, die ihre eindeutige Liebe zum Pop unter verzerrten Gitarren und milchig verhallten Arrangements verbargen. Es hat genau diese Ecken und Kanten gebraucht, um gegen eine schon damals durchgestylte, glattpolierte Welt aufzubegehren.

Jene Freunde selbstvergessenen Schuhestarrens werden in Spunsugar ihre alten Helden wieder erkennen. Das schwedische Trio gibt sich auf ihrem zweiten Album "A Hole Forever" freimütig der Melancholie und des memento mori hin. Die Band besingt das Älterwerden und kommt relativ schnell auf den Trichter, dass das Leben nichts anderes als ein langsamer Tod ist. Keine besonders aufmunternde Erkenntnis, aber in einen wunderbaren Sound eingebettet, der den auf Papier gebrachten Weltschmerz - bei allem Noise, die aus den Gitarren wie Feuerfontänen sprühen - weich auffängt.

Elin Ramstedt betont die Texte dabei bewusst ätherisch und schwebt damit immer ein bisschen über den Songs, die sich wie in "White Sneakers" eine funkelnde Synthielinie leisten, um damit sich einen dezenten Pop-Anstrich zu verleihen. Nur um bei "A Flicker In My Lights" mit lärmender Punk-Attitüde in zwei Minuten klanglich tabula rasa zu machen. Nicht zuletzt zeigen Spunsugar (zu Deutsch: Zuckerwatte), wie divers Indie-Rock dieser Tage sein kann. Das liegt sicherlich auch an den Bandmitgliedern selbst, deren musikalische Sozialisation ebenso breit gefächert sei, wie es in den Beipackzettel für Pressefuzzis heißt.

Bereits der Vorgänger "Drive-thru Chapel" wurde von der Presse über den grünen Klee gelobt. Zu recht natürlich. "A Hole Forever" wird ohne Zweifel weitere positive Rezensionen einfahren; auch diese wenigen Zeilen gesellen sich zu jenen Befürwortern von Spunsugar, die in den Skandinaviern den Beweis sehen, dass Shoegaze noch lange nicht zu Ende erzählt worden ist.

Bleiben wir in den 80ern - gedanklich zumindest. Und welche Metropole, wenn nicht Berlin, steht exemplarisch für das Jahrzehnt. Eingekeilt zwischen zwei Weltanschauungen, wurde die "Mauerstadt" zur großen Inspirationsquelle für alle Formen der Kunst und also auch der Musik. Die moderaten Lebenskosten machten es möglich, dass man auch als fast mittelloser Künstler sich verwirklichen konnte und zwischen Pershing II und SS-20 das Leben so lebte, als ob es morgen vorbei wäre.

Dies sind nur einige Gedanken, die man beim Hören von "Silhouettes" von Yama Uba hat. Die Band debütiert mit einem Album, das in seiner ganzen klanglichen Ästhetik aus der Frühphase des sich langsam formierenden Dark Wave und Gothic entsprach. Dabei ist das Projekt ein Kind der Gegenwart - und meilenweit von der deutschen Hauptstadt entfernt. Yama Uba stammen aus Oakland und sind das Kind von Sängerin Akiko Sampson und Winter Zora, die bereits bei der Formation Ötzi zusammen gespielt haben.

Während man dort auf einen eher organischeren Postpunk setzte, haben sich die beiden mit Yama Uba auf einen discoiden Ansatz einigen können, was gleich zu Beginn den beiden Songs "Disappear" und "Shapes" zugute kommt. Diese Nummern leben vom geradezu stoischen Beat, der sich unbeirrt durch die Klanglandschaft aus Synthesizern, Bässen und einem ganz feinen Gitarrenspiel fräst. Besonders "Shapes" erinnern fatal an die poppigere Phase von Siouxsie & The Banshees und könnte zu des Duos musikalischen Markenzeichen werden.

Denn zu den schummrigen Sounds gesellt sich ein Instrument dazu, dass leider in den letzten Jahren wieder an Bedeutung verloren hat: das Saxofon. Winters Spiel ist überragend, weil es sich überhaupt nicht wichtig nimmt, sondern die melancholische Grundstimmung mit flächigen Tönen untermauert. Kein hektisches Notenjonglieren wird hier geboten, sondern langgezogene, sehnsüchtige Noten aus dem Instrument gezaubert. So wird durch dieses Addendum die ohnehin schon zauberhafte Nummer "Isolation" zu einem großartigen Stück.

Eigentlich sollte "Silhouettes" ein "schnell geschriebenes Album" werden, wie Sampson erklärte. Doch hat es ganze fünf Jahre gedauert, bis das Debutalbum endlich spruchreif war. Schließlich wollte sich das Duo nicht nur stilistisch von ihrem anderen Projekt Ötzi abgrenzen, sondern überhaupt neue Wege beschreiten. Mit "Silhouettes" ist ihnen das ohne Zweifel gelungen. Ihr Werk ist das erste kleine Highlight im noch jungen Jahr.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 23.01.24 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 2/24>

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