WAS MACHT EIGENTLICH ROLF MAIER BODE (RMB): "ICH GLAUBE, AUSSER SCOOTER WAR DAMALS ALLEN PROTAGONISTEN NUR DIE MUSIK WICHTIG – NICHT MODE, FRISUR ODER GAGE" - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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WAS MACHT EIGENTLICH ROLF MAIER BODE (RMB): "ICH GLAUBE, AUSSER SCOOTER WAR DAMALS ALLEN PROTAGONISTEN NUR DIE MUSIK WICHTIG – NICHT MODE, FRISUR ODER GAGE"

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Hallo Rolf. Gleich mal zu Beginn eine provokante Frage: Gibt es noch so etwas wie eine Techno-Subkutlur, eine "Raving Society", wie sie früher immer proklamiert wurde?
Rolf Maier Bode: Zunächst einmal finde ich, dass ich auch in den 90ern nicht wirklich zur "Raving Society" gehört habe. Ich habe die geilen Parties dieser Zeit natürlich auch genossen und fand immer wieder einzelne Songs großartig, aber meine Leidenschaft war (und ist) das Erschaffen von Musik. Dazu gehörten viel mehr Stunden alleine im Studio, als draussen in der wogenden Menge im Stroboskop-Gewitter.

Als Du RMB ins Leben gerufen hast, war Deutschland gerade ein paar Jahre wiedervereint und ein rückblickend fast schon uneingeschränkt positiver Technikglaube virulent. Wie habt ihr diese Zeit erlebt? Schien wirklich alles möglich?

Ha! Im Gegenteil. Es war ein wahnsinniges Gefummel, um überhaupt Gesang in einen Song einbinden zu können. Bei "Redemption" musste das ein armer Atari Falcon erledigen, danach kamen die Gesangsaufnahmen aus einer Sampler - also einer Kiste voller Technik, die beim Anschalten leer ist und erst mit 3,5“ Disketten gefüttert werden musste. Jedes Handy bietet heute mehr Möglichkeiten als ein digitales Tonstudio in den frühen 90ern. Positiv an dieser Zeit war für mich vor allem die überall ausgelebte Kreativität. Die Dance Musik war damals nicht so schubladenorientiert, die Bandbreite an Stilen viel größer. DJ Sets waren voller Überraschungen. Und natürlich bot auch die Technik Überraschungen. Eben weil es so schwierig war, überhaupt etwas hin zu bekommen und man Songs nur in Tagen, nicht in Stunden wie heute machen konnte. Da war viel Raum für Experimente.

Nun stammst Du ja aus Düsseldorf, einer Stadt, die besonders in der elektronischen Musik stilprägend wie keine zweite ist. Ich sage nur: Kraftwerk, Neu, Deutsch-Amerikanische-Freundschaft, Der Plan, Die Krupps, Michael Rother...haben Dich solche Musiker damals beeinflusst, als Du mit der Musik anfingst?
Naja, die Beeinflussung bestand wohl darin, dass ich solche Musik auf keinen Fall genau so machen wollte. Kraftwerk war Pop, der seit Jahren aus dem Radio quoll, als ich 16 war. Ich wollte aber nicht klingen wie Pop. Ich wollte melodische elektronische Musik mit harten Beats kombinieren. Das war 1990 noch ziemlich ungehört. Die meisten Pioniere des frühen "Techno" (der nicht immer so heißen musste) hatten wohl keinen Bock auf Melodien. Das war meine Lücke. Ich war damit sehr weit von konzeptioneller Kunst-Musik entfernt, denn ich wollte Wirkung. Der Beat sollte knallen, der Bass drücken und im Break sollte die Melodie Gänsehaut erzeugen – das waren meine Ziele.

Das hast Du dann auch geschafft: "This World Is Yours", das Du dann zusammen mit Farid Gharadjedaghi produziert hast, bleibt für mich immer noch das elektrisierendste Techno-Album neben "Braincrash" von Hardsequencer. Besonders auffällig waren bei Euch der massive Einsatz von Samples (schönstes Beispiel der wunderbare Monolog von Al Pacino über das Wesen der Frau aus "Der Duft der Frauen" im Stück "Passport To Heaven"). Wieso habt ihr dieses Stilmittel genutzt?
Wir waren Filmfans und haben Hollywoodfilme oft im Original geschaut. Da fiel schon auf, dass Schauspieler ganz anders sprechen, wenn sie spielen, als Synchronsprecher später im Studio. Da stecken einfach viel mehr Emotionen drin. Und da viele RMB Songs keine Vocals hatten war dort viel Platz für Sprache.

Wie hat sich damals Euer Leben verändert, als ihr als RMB mehr Aufmerksamkeit bekommen habt?

Wir haben ein Haus gemietet, Tonstudios eingebaut, das Studium abgebrochen bzw. gar nicht erst begonnen und uns in das Abenteuer gestürzt. Ich habe zehn Jahre lang nur einen einzigen längeren Urlaub gemacht und dennoch war es oftmals eine geile Zeit. Zumindest bis 1996. Einen richtigen Starrummel mit Groupies oder "Erkennen im Supermarkt" gab es nicht, das war schon ein Vorteil elektronischer Musik. Nicht wie heute mit den DJs, von denen einige sehr erfolgreiche zu hohlen Aufstellfigürchen für Mega-Events wurden. Ich glaube, außer Scooter war damals allen Protagonisten nur die Musik wichtig – nicht Mode, Frisur oder Gage.

Es ist ziemlich genau 20 Jahre her, als mit "Spring" der vielleicht schönste Rave-Track aller Zeiten in die Top-Ten einschlug. Wusstest Du damals schon, dass dieses Ding durch die Decke gehen würde?
Mit Wissen hat das nicht viel zu tun. Leute, die eine ganze Zeit lang erfolgreich sind, erzählen so etwas zwar, aber niemand kann die komplexe Welt da draussen darauf reduzieren, dass irgendetwas so toll ist, dass es einfach erfolgreich sein muss. Man hat nie alles im Blick und es kann immer etwas schief gehen oder fehlen. Und – erfolgreiche Menschen verdrängen das gerne – man kann sich immer irren. Nachdem die vorherige Single "Passport To Heaven" nicht so erfolgreich war (Platz 66 – Optimisten um mich herum erklärten mir, dass das daran lag, dass es die 4. Auskopplung aus dem ziemlich erfolgreichen Album "This World Is Yours" war) habe ich mir vorgenommen einen wirklich besonderen Song zu machen, das stimmt schon. Es wurde ja auch eine Melodie aus einem älteren meiner Songs recycelt, weil sie einfach stark war. Ich habe eine Woche – um meinen 22. Geburtstag herum – jeden Tag bis sehr spät in der Nacht daran gefeilt. Und trotzdem konnte man sich nicht sicher sein, ob der Song sehr erfolgreich werden würde. Was die Freude über die Top-Ten-Platzierung und Goldene Schallplatte dann noch intensivierte.

Ich würde die Jahre zwischen 1996 und 1998 als die vielleicht prosperierendsten der Rave-Zeit betrachten. Hat Euch diese Gigantomanie (bis 1,5 Millionen Raver auf er Love Parade) nicht auch bisweilen erschreckt?
1996 kamen die beiden erfolgreichsten RMB Singles “Spring” und “Reality” auf den Markt und wir waren ständig zu Auftritten unterwegs. Die Stimmung kippte im Laufe diesen Jahres. Schon die Produktion von “Reality” war alles andere als harmonisch. Sättigungseffekte traten ein. Bedenke, dass wir nicht nur am Wochenende, sondern jeden Tag in der Woche der Techno-Bassdrum ausgesetzt waren. Ende 1996 konnten wir beide keine simplen Beats mehr hören. Farid flüchtete sich in Breakbeats und HipHop, ich habe sehr experimentellen Kram zu machen versucht. Auch 1997 und 1998 flüchtete ich mich in Experimente im Studio – ohne dass diese je veröffentlicht wurden.  Dann gab es die Kooperation mit Sharam. Das Produkt “Shadows” war allerdings aus meiner Sicht weder Fisch noch Fleisch. Also weder cooler Sharam Sound noch melodiöser RMB Style. Natürlich wurden wir die ganze Zeit über als Live Act gebucht und es gab auch geile Auftritte, aber ich machte mir zu diesem Zeitpunkt eher Gedanken über die Zukunft, als über Gigantomanie.

Immerhin existierte RMB noch bis 2006, danach wurde das Projekt offiziell beendet. Was war der Grund?
Wir waren sehr unterschiedliche Menschen, die anfangs eine gemeinsame Vision hatten. Salopp gesagt war die Vision meine Musik, die damals schon als Manitou oder auch RMB veröffentlicht wurde, erfolgreich zu machen. Es gab ja auch ein großes Interesse an meiner Art, Melodien mit harten Beats zu kombinieren. Leider hatte mein damaliger Kollege seine eigene Vision von einem Musikimperium mit Plattenfirma, Musikverlag, Booking Agentur etc. Schon das war eigentlich inkompatibel mit meinen Wünschen, einfach nur gute Musik zu machen. Aber ich habe nicht laut genug "Nein" gesagt. Dazu kamen dann verschiedene Musikgeschmäcker aber vor allem die Tatsache, dass wir als Menschen sehr verschieden sind.
Im Prinzip hat die Kombination unserer Talente nur von 1994 bis 1996 gut funktioniert, danach war es ein ständiger Kampf.

Hast Du noch Kontakt zu Farid?
Nein.

Was hast Du persönlich aus dieser Zeit mitgenommen?

Viele schöne, intensive Erinnerungen. Den Glauben an das Spielerische, das Kreative in der Musik. Aber leider auch die Gewissheit, dass nicht jede Kombination von Talenten dauerhaft fruchtbar sein muss – und Geld schnell wieder weg sein kann, vor allem wenn man auf "Berater" hört. Dass man seine persönlichen Talente nutzen und nicht zu viel darauf hören sollte, was andere von einem erwarten.

Bist Du immer noch ein "Vollzeit-Musiker", oder kannst Du nicht mehr alleine von Deiner Kunst leben?
Es ist nicht nur Kunst alleine, sondern auch viel Handwerk, Fleiß und Verlässlichkeit, die da mitspielen. Aber ja: Ich kann sehr gut von Komposition und Musikproduktion leben. Allerdings nicht von der Musik, die ich für mich selber mache, sondern von Auftragsproduktionen für bewegtes Bild
zum Beispiel für Mercedes Benz, BMW oder auch die European Space Agency.

Rückblickend betrachtet: Würdest Du alles wieder so machen, oder gibt es einige Momente, in denen Du Dich anders entscheiden würdest?
Mit meinem jetzigen Wissen würde ich mich natürlich auf gar keinen Fall zu Firmengründungen außerhalb meiner Kernkompetenz drängen lassen. Ich wäre also spätestens ab 1996 einen ganz anderen Weg gegangen. Aber solche Momente gibt es doch in jedem Lebenslauf und es ist müßig, zurück gewendet darüber nach zu denken "was wäre wenn…"
das Spiel macht viel mehr Sinn in Richtung Zukunft: "Was wäre wenn… ich meine Leidenschaft für Film und Musik noch mehr überein bekomme, in dem ich den Bereich Filmmusik erobere… was wäre wenn ich auf Filmemacher treffe, die Spaß an innovativer, kraftvoller, emotionaler aber auch elektronischer Musik haben…"

|| INTERVIEW: DANIEL DRESSLER| DATUM: 26.08.16 |  KONTAKT | WEITER: INTERVIEW MIT RICHARD SILVERTHORN (MESH) >

Website
www.rolfmaierbode.com

FOTOS © ANDREA BRIEDEN
COVER © URBAN/UNIVERSAL MUSIC

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