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FINN RONSDORF "FROM MIND WE ARISE": L'ART POUR L'ART

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Sicher fühlen darf man sich bei Finn Ronsdorf nie. Wenn er wie in dem einzig deutschsprachigen Song "Noch Morgen wirst du sein" sich in den Fluss seiner Klaviertöne begibt und damit dem übermächtigen Gefühl des Weltschmerzes schier unendlichen Raum zu geben scheint, macht er das nicht unbedingt, weil er der leidende Künstler sein will. Vielmehr stellt er die große Geste an sich auf ein Podest und ruft vor allem eines ins Gedächtnis: Lassen wir die Kunst wieder Kunst sein! Lassen wir uns verwöhnen vom Affekt und steigen wir in die Verstiegenheit der artifiziellen Pose ein!

Da darf dann auch mal in buchstäblichem Sinn künstlich gelacht werden wie beim abschließenden "Please No Roses At Our Graveyard" oder übertrieben maniriert das "R" gerollt. Das macht er auch bei "Oscar Wilde And Einstein, Science, Pop And Twilight Zone", einem Song, dessen Titel programmatisch für den wilden Kosmos des Mittzwanzigers steht. Finn baut seine Liebe zur Bühne in seine Stücke ein, indem er sich gerne und reichlich beim Pathos bedient: Mal zieht er seine Worter über Gebühr in die Länge, mal überschlägt er seine Stimme, krächzt, wandert in die tiefsten Tiefen und wirkt an anderer Stelle wieder total entrückt.

Kurz gesagt: Es kann nicht genug Theater in seinen Stücken vorkommen. Das mag manchem zu viel des Guten sein, und vielleicht verzeihen Kritiker ihm nicht, dass er im Titelsong den Gospel-Charakter offensichtlich überkandidelt anlegt. Doch seine Achillesferse ist gleichzeitig auch seine größte Stärke: Finn wirft sich mit aller Macht in die Emotionen, die zwischen großer Traurigkeit und völliger Abgedrehtheit so ziemlich alle Nuancen menschlicher Sentimente auszumachen und überhöht darzustellen versucht.

Erstmals 2020 mit seiner "Odes" EP, einem queeren Manifest, auf sich aufmerksam gemacht, hat Ronsdorf seine introvertierten Seelenzustände verlassen und begibt sich nun auf die große Bühne und lebt seine Phantasie in ganz großem Stil aus. Das macht ihn zur deutschen Antwort auf Rufus Wainwright, der in den 00er Jahren durch seine kunstvoll arrangierten Songs (das "Want"-Diptychon bleibt nachwievor unerreichbar in seiner Qualität) und einer wie aus der Zeit gefallenen klingenden Stimme über die schwullesbische Szene hinaus Bekanntheit erlangte. Bei Finn wird der Lebensweg wohl kaum anders verlaufen, zumal er wie sein amerikanisches Pendant die Kunst in seiner Gesamtheit verehrt und sich darin nicht nur ausprobiert, sondern ohne Rücksicht auf Verluste austobt.

Nur einmal gewährt uns der Künstler scheinbar einen persönlichen Einblick. "Oh Finn" heißt das Stück und man hat (wenn man den Songtext einmal außen vorlässt) das Bild von seiner Mutter vor Augen, wie sie liebevoll, aber doch etwas enerviert dies zu ihm sagt, weil der Junge mal wieder mit einer verrückten Idee um die Ecke gekommen ist.

Finn Ronsdorf liebt nicht nur die Kunst, er lebt Kunst. Mehr noch: Er lebt für die Kunst. Dieser unbedingte Wille lässt "From Mind We Arise" zwar äußerst barock klingen, aber auch sehr spannend, weil das Album so unikat ist und Finn damit momentan alleine auf weiter Flur in der Musiklandschaft steht.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 26.04.24 | KONTAKT | WEITER: THEN COMES SILENCE "TRICKERY">

Webseite:
www.finnronsdorf.com

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