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SOPHIA BLENDA "DIE NEUE HEITERKEIT" VS. SARAH P. "BIRDSONG": UNBESCHREIBLICH WEIBLICH

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Lassen Sie sich von Frau Blenda nicht blenden! Entschuldigen Sie, liebe Leserschaft, diesen sprachlichen Kalauer. Aber er musste einfach sein. Denn "Die neue Heiterkeit" ist bei Sophia Blenda sicherlich nicht zu finden. Auch nicht in Stücken wie "Fun", die zwar auf dem Papier Spaß verprechen, aber eigentlich genau das Gegenteil proklamieren: nämlich die Bitterkeit einer völlig ausgehöhlten Spaßgesellschaft.

Die Lieder der Österreicherin sind viel zu intim, viel zu nachdenklich, um sie endorphintrunken zu konsumieren, auch wenn hie und da ein dezenter House-Beat ("Ties") eine Prise Nihilismus im Tanz verspricht. Sophie Löw, wie die Mittzwanzigerin mit richtigem Namen heißt, bringt mit "Die neue Heiterkeit" ein für ihre Generation wichtiges, wenn nicht sogar essentielles Werk auf den Markt, der die Gefühle und Emotionen, die die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts bisher heraufbeschwörten, in elektronisch induzierten Chamber-Pop gießt. Als alpenländische Antwort auf Billie Eilish könnte man sie bezeichnen, wobei ihr literarischer Anspruch ein weitaus höherer als der der Amerikanerin.

In den Songs eröffnet die Musikerin dem Hörer und der Hörerin ihren poetischen Kosmos, der teilweise entrückt und wie ein Arthouse-Film in Schwarzweiß wirkt. Nehmen wir beispielsweise "BH", bei dem das weibliche Kleidungsstück zur Initialzündung für einen Diksurs über die Macht der Blicke wird. Diese Gedankenkonstrukte belegen, dass Sophia Blenda viel zu intelligent ist, um der breiten Masse zu gefallen. Doch Kennerinnen und Kenner wissen bereits seit ihrer hervorragenden Arbeit bei der Existenzialisten-Combo Culk, dass Sophie Löws Gedanken tief- und raumgreifend sind und sich damit vom dumpfen Deutsch-Pop angenehm abheben.

Dementsprechend besitzen die Songs auf "Die neue Heiterkeit" eine lähmende Schönheit. Wie in Zeitlupe aufgenommener Regen, der die dürre Erde der Erkenntnis benetzt, schärfen Sophia Blendas Stücke unseren Verstand und die Sicht auf die alltäglichen Dinge. Und wenn sie schlussendlich im Titelsong zum Ergebnis kommt: "Manchmal verfalle ich der Dunkelheit, manchmal bedeutet Zukunft die neue Rückgewandheit", hat diese junge Frau in zwei Zeilen die ganze Misere unserer Gesellschaft und die Auswirkungen auf die heranwachsenden Generationen auf den Punkt gebracht, besser als es jede(r) "Friday For Future"- oder "Letzte Generation"-Aktivist(in) je in Worte oder Taten fassen könnte.

Bei Sarah P. steht keine gesellschaftliche Beobachtung, sondern eine persönliche Verarbeitung von Trauer auf dem Plan. Die vier Stücke auf der EP "Birdsong" handeln davondavon, aber auch von der Zeit danach, von erinnerungswürdigen Momenten und von der Hoffnung, die aus der Hoffnungslosigkeit der Situation entwachsen kann. Auslöser war der plötzliche Tod von Sarahs Vater.

Die Gefühle, die sich in der griechischen Musikerin manifestierten, versuchte sie in der Pandemiezeit in Noten und Wörtern niederzuschreiben. Zusammen mit Flavio Gonnellini - allerdings dank Corona nur virtuell - erdacht, bringt die EP trotz des trübsinnigen Hintergrunds eine erstaunliche Leichtigkeit mit sich. So ist "Hotel Happiness" ein lichtdurchflutetes Stück Indie-Pop, liebreizende Gitarren inklusive.

Bitterkeit ist in den vier Songs nicht wahrnehmbar. Selbst "Father's Eyes", eines ihrer persönlichsten Stücke, verharrt nicht in Trauer, sondern blickt mit Liebe und Dankbarkeit auf die gemeinsame Zeit zurück. Dieser Song ist in seiner Unmittelbarkeit und durch Sarahs intensivem Gesang ein echter Tränenzieher, selbst der Autor dieser Zeilen vernimmt nach dem Durchhören einen kleine Kloß im Hals.

Sarah P., die bereits 2010 als Teil von Keep Shelly In Athens einige kleine Erfolge verbuchen konnte, ist seit 2014 solo unterwegs und ist zum Kritikerliebling avanciert. Neben der Musik ist sie auch Schauspielerin und hat auch schon eine Anthologie von Gedichten veröffentlicht. Sie setzt sich, so sagt es der Beipackzettel für Musikjournalisten, für Mental Health ein und fordert die Popmusik, wie wir sie kennen, heraus. Um diese Sätze zu verstehen, muss man "Birdsong" hören. Ein Stück wie "Hotel Happiness" unterstreicht genau diesen Versuch, die Popmusik für sich einzunehmen, um sie von innen auszuhöhlen und zu dekonstruieren.

Natürlich besteht die Hoffnung, dass Sarah P., wie auch Sophia Blenda, mehr Bekanntheit erlangen. Zu wünschen wäre es nicht nur ihnen, sondern auch uns allen. Es wäre zumindest ein frommer Wunsch für das neue Jahr, bei dem hoffentlich einiges besser wird. Auch die Gleichberechtigung. Zumindest ein Stück weit.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 21.12.22 | KONTAKT | WEITER: NERO KANE VS. KATHARINA NUTTALL VS. KARO LYNN>

Webseite:
www.sophiablenda.com

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COVER © SILUH RECORDS/PIAS (SOPHIA BLENDA), SARAH P.

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