BEBORN BETON "DARKNESS FALLS AGAIN" - HOCH DIE TASSEN, DIE APOKALYPSE NAHT! - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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BEBORN BETON "DARKNESS FALLS AGAIN" - HOCH DIE TASSEN, DIE APOKALYPSE NAHT!

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Ein bisschen überraschend kamen Beborn Beton aus einer 13-jährigen Funkstille wieder ans Tageslicht. Als "A Worthy Compensation" anno 2015 erschien, war die Welt zwar nicht in Ordnung - bereits ein Jahr zuvor hat Russland die Krim annektiert, was der Vorlauf für die jetzige Krise ist. Doch das Problem eines Dürresommers existierte nur in südlichen Ländern, Donald Trump war ein Gaga-Ami mit schlecht sitzender Friese und eine Pandemie höchstens eine in der Theorie auftretende Katastrophe, der man eher moderates bis kaum wahrnehmbares Interesse schenkte.

Vielleicht hat sich die Band, die übrigens immer noch in der Urbesetzung spielt, deswegen für den Asteroiden als Artwork für das Album entschieden. Denn in diesen fast acht Jahren ist das Leben auf unserem Planeten ein anderes, ein unsicheres geworden. Das durch digitale Störung teilweise verpixelte Bild des Gesteinsbrocken wirkt wie eine Warnung an uns Menschen: Wir sehen die Katastrophe auf uns zukommen, wir haben das technische und wissenschaftliche Rüstzeug für die Benennung der Gefahr. Aber wir unternehmen nichts dagegen.

Diese nicht gerade freudvollen Gedanken kommen einem beim Blick auf das Albumcover in den Sinn. Allerdings wissen eingefleischte Kenner, dass bei Beborn Beton sich die Wut und auch das Unverständnis über die Menschen regelmäßig Bahn brechen kann. Plakativer als bei "Burning Gasoline" wird es auf diesem Album nicht mehr. Das Sprachsample bringt es auf den Punkt. "God is dead, we have taken his place". Die Schöpfung übernimmt den Part des Allmächtigen, weiß aber nicht, wie mit dieser Macht verantwortungsvoll umzugehen ist. Das alles erinnert auch an die aktuellen Diskussionen um künstliche Intelligenzen wie ChatGPT. Schließlich ist die "Mensch-Maschine" nicht mehr nur eine Kraftwerk-Floskel, sondern realitätsnäher als gedacht.

In die Dystopie hinein werfen Beborn Beton ihren unikaten und anschmiegsamen Synthie-Pop, der seit jeher immer eine Spur ausgefallener und konventionsferner ist, ohne aber die Eingängigkeit aus den Augen zu verlieren, um den Klang als Kontrapunkt zum Text zu setzen. Dass das Trio "Dancer In The Dark" (eine Zeile daraus dient als Titel für die Scheibe) vorab ausgekoppelt haben, war goldrichtig. Allein für diesen wunderbaren Basslauf, verdient Beborn Beton alles Lob, was es nur gibt. Aber auch "I Watch My Life On TV", die zweite Auskopplung, ist synthetische Klangästhetik in Reinkultur, gepaart mit Liebe zum Detail, Tanzaffinität und anspruchsvollem Produktionsniveau.

Das berührende Momentum aber beherrscht das Dreiergespann ebenso. So wird bei "Trockenfallen lassen" (ein Begriff aus der Schifffahrt, der den Zustand beschreibt, wenn ein Schiff bei Ebbe auf dem Grund "parkt") eine Atmosphäre geschaffen, in dem das Individuum auf sich selbst zurückgeworfen ist. Raumgreifende Flächen und erdige Rhythmen tragen den bildreichen, aber doch metaphorisch verklausulierten Text, der so konzipiert ist, dass jeder Hörer seine eigene Erfahrungen damit verknüpfen kann.

Beborn Beton waren schon immer eine Spur sophistischer und anspruchsvoller als ihre Musikerkollegen. Doch mit einem künstlerischen Wissen von über drei Dekaden im Rücken scheint es wohl leichter zu sein, die im Kopf schwirrenden Ideen in Noten zu gießen. "Darkness Falls Again" ist die perfekte Symbiose aus steter Neugier, reichhaltigem Wissenschatz und scharfer Beobachtungsgabe. Oder anders ausgedruckt: "Darkness Falls" zählt jetzt schon zu den Alben des Jahres.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 10.03.23 | KONTAKT |  WEITER: KARIES "TAGTRÄUME AN DER SCHAUMMASCHINE I">

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