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ROBERT SCHROEDER "INTO THE LIGHT" VS. LAMBERT "BON COURAGE": AUF DEM WEG ZUR ERLEUCHTUNG

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Mit dem Tod von Klaus Schulze im April vergangenen Jahres ist ein, wenn nicht sogar der Vordenker der Berliner Schule von uns gegangen. Seine epochalen, kontemplativen Elektronik-Sounds waren näher am Lifestyle der Hippies dran als an der androiden Coolness von Kraftwerk. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, konnte sich dieser eigenständige Sound über die Jahrzehnte hinweg halten und eine treue Fangemeinde aufbauen.

Bildlich gesprochen: Das Licht der Berliner Schule leuchtet immer noch. Auch weil Musiker wie Robert Schroeder das Erbe mit einer großen Leidenschaft weitertragen. Der Musiker, Jahrgang 1955 und aus Aachen, gehört zu den großen Bewunderern Schulzes. Er ließ seinen Sohn auf den Namen Klaus taufen; Schroeder konnte sein großes Vorbild als Taufpate seines Sprößlings gewinnen. Roberts Bewunderung manifestiert sich auch in seinem musikalischem Wirken. Natürlich ist er meilenweit davon entfernt, als Schulze-Klon durchzugehen, aber die grundlegenden Eigenschaften seiner Musik finden sich auch beim verstorbenen Altmeister wieder.

Der Soundtüftler gehört zu den produktivsten Geistern des Genres und veröffentlicht quasi im Jahrestakt neues Material. "Into The Light" ist sein bereits 45. Album. Und wieder einmal reibt man sich verwundert die Augen und Ohren: Trotz des riesigen Oeuvres wirken die Werke nie vorhersehbar oder gar langweilig. Selbst dem eigentlich erst einmal nicht weiter aufrgenden Thema Licht gewinnt der Endsechziger interessante Perspektiven ab.

Es geht nicht nur um das Licht als rein physikalische Kraft oder Energiequelle, sondern um sein großes metaphorisches Gewicht, welches in ihm wohnt. Der grammatikalische Sprung zwischen leuchten und erleuchten mag klein sein, der semantische jedoch ist gewaltig. Licht wird bei Robert Schroeder zu einem kraftspendenden, die Phantasie befeuernden Element, das uns zur allumfassenden Weisheit führen kann.

"Into The Light" transformiert diese Idee mittels warmer, buchstäblich lichtdurchfluteter Songs in Töne. Der Musiker verlässt sich dabein allein auf die Kraft breiter Synthesizerflächen und ätherischer Effekte. Auf markante Rhythmen verzichtet er weitestgehend, nur das abschließende "Solar Flares" wird in Teilen von einem stringenten Vierviertelbeat angetrieben. "Into The Light" gleicht aber sonst einem langsam fließenden Gewässer, dessen Kraft oberflächlich gar nicht zu erkennen ist. Erst wenn man eintaucht, erlebt man die Stärke des Stroms. So ist es auch mit den Songs von Robert Schroeder, die beim ersten Hinhören eben instrumentale Synthesizermusik ist, die aber bei intensivem, ungestörtem Konsum erst seine ganze Wirkung entfaltet. Deswegen wird auch angeraten, "Into The Light" über Kopfhörer zu genießen. So lässt sich die gesamte Konzentration auf die bisweilen magischen Klänge richten.

Seit mehreren Jahren veröffentlicht Schroeder seine Werke auf Spheric Music, dem bekanntesten Label für Musik der Berliner Schule. Gründer Lambert Ringlage rief die Plattenfirma erst einmal ins Leben, um seine eigenen Werke zu veröffentlichen. Mittlerweile gehören so renommierte Projekte wie Klangwelt oder die Künstler Rudolf Heimann und Erik Seifert zum Roster. Natürlich frickelt Ringlage aber immer noch gerne selber an den Maschinen herum. Die jüngsten Ergebnisse kann man nun auf "Bon Courage" hören.

Im Gegensatz zu Robert Schroeder favorisiert der Essener ausladend redundante Melodien, die durch Wiederholung sich spiralförmig immer tiefer in die Gehirnwindungen einfräsen. "Fantasy Plays" basiert auf einer sphärischen Arpeggiolinie, über die sich improvisierte Synthieriffs gesellen. Es ist mit Abstand das schönste Lied auf "Bon Courage", das aber auch sonst einige Überraschungen bereithält.

Gerade in den kürzen Stücken, die kaum länger als Zweieinhalb Minuten sind, finden sich einige unerwartete Elemente. "Towards Truth" lässt eine gedankenverlorene Akustikgitarre erklingen, "Runguar" mutet mit seinem beschwörerischen Gesang und dem hüpfenden Rhythmus fast schon mittelalterlich an. Diese Momente lockern das gesamte Konstrukt von "Bon Courage" auf und belegen, dass Lambert Ringlage, bei aller Liebe für die Berliner Schule, gerne auch mal kleine Ausflüge abseits der bekannten Pfade unternimmt.

Dementsprechend erhalten genretypische Stücke wie "Chain Of Images" oder "Fading Memories" wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit, da durch die Intermezzi die Ohren mal kurz "freigespült" werden und man sich nicht satthört. Apropos "Fading Memories": Hier hat sich Lambert mit keinem geringeren als Johannes Schmoelling zusammengetan. Der Organist ist vor allem als Mitglied von Tangerine Dream bekannt geworden. Eine mehr als nachvollziehbare Kooperation, die dem Song die nötige Tiefe verleiht.

"Bon Courage", zu Deutsch: viel Glück, braucht man Lambert Ringlage nicht mehr wünschen. Er hat mit seiner Musik und seiner Funktion als Chef eines prosperierenden Labels wohl seine Träume erfüllt. Im Umkehrschluss wünscht uns der Musiker viel Glück. Aber auch Mut. Denn unser Leben ist gezeichnet von Hochgefühlen und Trauerzeiten, von größter Selbstsicherheit und tiefster Verunsicherung. Für all diese Momente soll "Bon Courage" ein treuer und inspirierender Begleiter sein - ein musikalischer Glücksbringer.

Lambert Ringlage und Robert Schroeder wirken wie zwei Künstler, die ihre Mitte gefunden haben. Dementsprechend sind ihre Alben auch wie kleine Lebensratgeber, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mit ihrer Musik feiern sie das Leben und fordern uns zum Selbst-Bewusstsein auf. In Zeiten von Internet und der Gleichzeitigkeit der Ereignisse ein fundamentaler Ansatz: Kehr zu Dir zurück und höre in Dich hinein. Klaus Schulze wäre stolz auf die beiden.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 13.10.23 | KONTAKT | WEITER: VA "NEXT WAVE ACID PUNX DEUX" VS. "IPTAMENOS DISKOTEK VOL. 1">

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