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LEDFOOT "COFFIN NAILS": TALENT IM KLEINEN FINGER

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Zu den himmelschreienden Ungerechtigkeiten auf diesem Planeten gehört unter anderem, dass Ledfoot keine Stadien füllt und die Menschen ihm frenetisch zujubeln. Eher findet man den 1958 geborenen Gitarristen in kleinen Clubs oder Bars, wo er seine düsteren Geschichten zum Besten gibt. Es sind Geschichten, die auch schon andere Musiker sehr zu schätzen wussten. So stammt "High Hopes" zwar von ihm, aber groß gemacht hat das Stück Bruce Springsteen. Ledfoots Tantiemenkasse gefällt das sicherlich, doch rückt der Musiker damit nicht ins Rampenlicht, sondern bleibt "nur" ein erstklassiger Zuarbeiter für andere.

Vielleicht ist es Ledfoot aber ganz recht, dass nicht die halbe Welt auf ihn schaut. Denn unbemerkt lässt es sich vortrefflich komponieren und frei von irgendwelchen Ratschlägen seitens irgendwelcher Manager oder Plattenbosse sein Ding durchziehen. "Nobody produces this shit...I just play" prangt es dementsprechend selbstbewusst auf der Rückseite des Booklets und wirkt wie eine Kampfansage an alle Mainstream-Zeiserl, die sich an Songs versuchen, bei denen eine Hundertschaft von Komponisten, Produzenten und Musikern rumlaboriert haben.

Ledfoot hat sein aktuelles in nur zwei Tagen eingespielt - "Straight to tape...no edits, no punching in...just me", wie er es im Telegramm-Stil beschrieben hat. Das macht "Coffin Nails" zu einem extrem verdichteten Hörerlebnis, bei dem sich der Musiker seiner treuen Anhängerschaft so intim wie nie zuvor zeigt. Und man erkennt schnell: Der Mann lebt und liebt die Musik, wie es das Albumcover mit einem Augenzwinkern bereits vorwegnimmt. Ledfoot liegt im Gras vor einer Holzhütte, an beiden Seiten seine zwei Zwölfsaiter, die er wie leichte Mädchen sanft und liebevoll in den Armen hält.

Eine geradezu ikonische Fotografie, in der sich auch Ledfoots Vorliebe für die Verlierergeschichten manifestiert, denn der Mann sieht eher aus, als würde er gerade ziemlich in den Seilen hängen. Diese alkoholgeschwängerte Atmosphäre ist durch die bluesig angehauchte Stimmung seiner Songs natürlich immanent. Aber Ledfoot blickt auch auf sein Leben - nicht ohne schelmisches Grinsen. "How I End My Day" handelt von den täglich gesetzten guten Vorsätzen, ein geregelteres Leben zu führen und sich von Wein, Weib und Gesang loszusagen, um am Ende doch an seinen Zielen zu scheitern. Ganz ohne Ironie beleuchtet "Escape" dagegen die Sucht nach dem Internet und die Digitalisierung unseres Lebens, das Ledfoot als "mentale Vergewaltigung" tadelt.

Das alles singt er in Begleitung seiner Gitarre, die er mit bluestypischer Slide-Technik bearbeitet. Eine Stompbox gibt den Songs zusätzlich Rhythmus. Dabei gelingt ihm das Kunststück, zwischen Americana und Blues mühelos hin- und herzuhüpfen, dass man sich gleichzeitig an die späten Aufnahmen eines Johnny Cash oder Bob Dylan erinnert fühlt wie auch an die Mörderballaden eines Nick Cave und den frühen Vagabundenliedern eines Tom Waits. Besonders "Runnin' Till I'm Done" besitzt eine kompositorische Akkuratesse, das man nicht anders kann, als mit dem Kopf mitzunicken.

Mit "Coffin Nails" liefert der Mittsechziger die Quintessenz seines Schaffens und macht ohne Umwege klar, dass er derart viel Talent im kleinen Finger besitzt, wie es andere Künstler nie im ganzen Körper haben werden. Wie gesagt: Eine Schande, dass nicht mehr Menschen Ledfoots Liedern lauschen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 10.02.23 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 3/23>

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Cover © TBC Records/Broken Silence

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