CULK "GENERATION MAXIMUM" VS. MIBLU "SOLITAIRE": AUF DER SUCHE NACH GLITZER
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"Willkommen in der Hedonie". Ein Song wie ein Schlag in die Fresse des Zeitgeists. In einer Welt voll von Insta-Schönheiten und gefilterten Top-Models grätscht Culk mit ihrer Frontfrau Sophie Löw in diese scheinbar perfekte Welt, negiert sie aber nicht, sondern sucht in all dem Falschen das Richtige. Denn irgendwo muss sich der wahre Glitzer befinden, den man sich auf sein Leben bedenkenlos streuen kann.
Im angedüsterten Post-Punk, das im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben "Zerstreuen über Euch" und "Culk" noch konzentrierter und auf den Song zugeschnitten wurde, macht sich die ganze Tristesse einer Generation zwischen Selbstoptimierung und Zukunftängsten breit, während Sophie einmal mehr ihre Texte somnambul wegnuschelt als habe man sie gerade aus der Nachtruhe gerissen und sie schlaftrunken vors Mikro hingestellt. Ihre verwaschener Gesang passt allerdings zur Unsicherheit über die Lage der Welt, mit der "Millennials" heutzutage konfrontiert werden.
Dabei hat es mal alles gut angefangen, wie "2000" messerscharf beobachtet. "Vor dreiundzwanzig Jahren erhob sich ein Feuerwerk. Entleert sich im dunkelsten Blau, in kristallener Luft". Culk richten den Blick zurück auf den Anfang des neuen Jahrtausends, auf das große Feuerwerk, auf die "Nacht, in der sich die Welt vermeintlich neu verband". Mittlerweile ist von dieser Euphorie nichts mehr zu spüren. Spätestens seit Corona herrscht vielerorts Rat- und Hoffnungslosigkeit. Culk nimmt diese negative Energie auf und transformiert sie in ein nicht so dunkles Album, weil man in den teilweise üppigen Soundwällen ("Die Glut vor uns") eine große Auflehnung erahnt.
Entscheidend für die momentane Entwicklung ist natürlich auch die Digitalisierung unseres Lebens, was Culk in "www" lakonisch, aber wahrhaftig verhandelt haben. Von den "world wide stories" zu den "world wide worries" ist es eben nur ein Katzensprung; die Nutzung des Internets bietet Chancen, aber auch Risiken. Momentan überwiegt Letzteres. Sophie und ihre Mannen gelingt es, nicht nur alle Eigenschaften des weltweiten Netz in knackigen dreieinhalb Minuten zu verhandeln, sondern das Ganze auch mit unverschämt eingängigen Riffs und Akkorden zu unterlegen.
Die Wiener Weltschmerztruppe legt mit ihrem dritten Werk nicht nur die eigene Messlatte wieder ein Stück höher, sondern auch den Finger in die Wunde unserer vermeintlich geistlosen Zeit. Trübsalblasen ist aber nicht angesagt. Deswegen ist "Ode an die Freude" auch genau als das zu verstehen, was sie vorgibt: die Suche nach dem echten Glücksgefühl und die Sehnsucht nach besseren Zeiten, die aber nur durch eigenes Handeln gestaltet werden können.
In das gleiche Horn bläst auch das ebenfalls in Wien beheimatete Projekt Miblu: "Only good times ahead!" beschwört sie auf "Facettes", dem Opener des Erstlings "Solitaire". Der Titel des Albums darf für bare Münze genommen werden, umschreibt er doch glasklar die musikalische Vision, die Miriam Orth-Blau, der kreative Kopf dahinter, sich für diese Premiere ausgedacht hat.
Der Solitär ist ein in einem Ring speziell gefasster, alleinstehender Diamant im Brillantschliff, der mindestens 57 Facetten besitzt. Ein stimmiges Sinnbild für die Musik der Sängerin und Geschäftsfrau (sie gründete vor zehn Jahren ihr eigenes - auch das passt zum Albumtitel - Schmucklabel): Auf "Solitaire" vereint sie unterschiedlichste Stile und Genres, lediglich ihr Hang zu einem eher mollschwangeren Sound eint die insgesamt 16 Stücke.
Die Menge der Tracks kompensiert Miblu durch zum Teil sehr kurze Spielzeiten. Das führt nur einmal zu einer leichten Frustsituation: "Island" hätte ruhig mehr als 1:57 Minuten dauern können. Dafür waren die flächigen Synthiesounds und satten Bässe viel zu malerisch, um sie nur so kurz anzuspielen. Das grenzt an Verschwendung! Ähnlich wie Moderat schafft sie mit diesem Track zur gleichen Zeit schwebend und geerdet zu klingen. Nur eben viel zu kurz.
Von diesem kleinen Makel mal abgesehen (und wir reden hier wirklich über Jammern auf höchstem Niveau) lässt Miblu den geneigten Hörer durch eine sehr dunkelbunte Glitzerwelt abtauchen. Geradliniger Disco-Sound in "Adrenaline" gehört ebenfalls zum Repertoire wie moderne R'n'B Sounds ("FFYL" und "Solid" stechen dabei besonders hervor) und ein durchschimmernder zeitgenössischer Pop ("Say So").
Allesamt großartige Momente, bei der die großflächigen Bassspuren stets das stabile Fundament bilden, um darüber synthetische Klänge unerwartet zu vereinen. Dass am Ende ein homogenes Werk dabei herauskommt ist die vielleicht größte Überraschung und zeigt, mit welch klaren Visionen die österreichische Musikerin ans Werk geht. "Solitaire" wird sicherlich nicht "alleinstehend" sein, da geht noch einiges.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 04.12.23 | KONTAKT | WEITER: BLINDZEILE VS. ALL DIESE GEWALT>
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COVER © SILUH RECORDS/CARGO (CULK), ASSIM RECORDS (MIBLU)
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