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In München gab es in den 90ern -
Es muss um 1992 oder 93 gewesen sein, als ich wieder einmal den Flohmarkt frequentierte, auf der Suche nach einigen interessanten Alben. Viel kam an diesem einen Tag aber nicht zu Stande. Kurz bevor ich die Räumlichkeiten mit leeren Händen wieder verlassen wollte, stöberte ich etwas gelangweilt bei einem der Anbieter in einem Kasten mit Techno-
Die erste Scheibe haben die Zusammensteller mit "Techno Hits now" betitelt, die zweite beinhaltete "Classics in electronic music". Sie zu hören, hat meine Liebe zur elektronischen Musik nachhaltig geprägt. Viele dieser überraschend gut ausgewählten Stücke höre ich noch bis heute: die ansprechende Live-
Damals konnte ich es gar nicht so richtig einsortieren, was da eigentlich mit mir geschah. Aber es schien fast so, als habe dieses Lied all meine verborgenen Sehnsüchte und Rebellionsgedanken zumindest leicht angetriggert. "Tu' was Du willst, nimm Dir was Du willst. Verschwende deine Jugend, solange Du noch jung bist." Dieser assoziativ gehaltene Text von Gabi Delgado López barg in Verbindung mit Robert Görls brodelnden Sequenzern und peitschenden Schlagzeug eine ungeheure Sprengkraft. Wenn ich also jemals den Weltumsturzplan in den Händen halten würde, dachte ich, "Verschwende Deine Jugend" wäre der Soundtrack zu seiner Durchführung.
Das Lied lief im Repeat-
Als Freund der damals aufblühenden Techno-
Nur mit einem wichtigen Unterschied, und der heißt eben: Gabi Delgado López. Seine Texte packen den Hörer bei den Eiern, um es mal unmissverständlich auszudrücken. Er singt nicht, er predigt, offenbart sich uns, schleudert seine kleinen Gemeinheiten und triebhaften Texte mit einem Grinsen in unser Gesicht. Keiner, der jemals ein Stück der Deutsch Amerikanischen Freundschaft gehört hat, wird die Dringlichkeit seiner Vorträge je vergessen. Sei es nun "Der Mussolini", "Kebapträume" oder "Der Räuber und der Prinz", um nur die bekanntesten zu nennen.
Später, in den 2000ern, erschien mir der Songtitel immer wieder. 2001, Jürgen Teipel brachte mit "Verschwende Deine Jugend" einen authentischen Doku-
Meine Jugend habe ich also nicht verschwendet, sondern sinnvoll genutzt, in dem ich DAF (zu)gehört und die Zusammenhänge zwischen Techno, EBM erschlossen habe. Ich denke heute anders als zu meiner Teenagerzeit über dieses Lied. "Tu' was Du willst" bedeutet nicht Anarchie, sondern Nonkonformismus. Sich nicht von anderen beeinflussen lassen, sondern straight sein Ding durchziehen. Das habe ich dann auch getan, indem ich mich als Musikjournalist verdingte, obwohl es immer wieder Gegenwind für meine Pläne gab
Ich konnte Gabi leider nie interviewen und war auf meinen Freund Tom ziemlich neidisch. Wir haben in den mittleren und späten 00er Jahren gemeinsam eine Musiksendung in einem Münchner Lokalradiosender moderiert, und er, der DAF noch während ihrer aktiven Zeit bewusst miterlebt hat, konnte ein Interview mit dem gebürtigen Spanier ergattern.
Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ihm zu begegnen, ich hätte ihn nicht so sehr über DAF oder seine weiteren Projekte wie DAF/DOS und seine Liebe zur elektronischen Musik ausgefragt, denn das ist ja schon hinlängloich bekannt gewesen. Vielmehr hätte ich enfach nur seine Sicht auf die Welt erfahren und wie ein Schüler dem Lehrer aufmerksam zuhören wollen. Denn der Mann wirkt bei aller Kampfbereitschaft und Freude an der intelligenten Provokation auch sehr in sich ruhend und freundlich -
"Tu' was Du willst" -
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 24.03.2020 | KONTAKT | WEITER: HARRY STAFFORD "GOTHIC URBAN BLUES">
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