MARTINA CROSS: "GRAUEN EINHEITS-MISCHMASCH KANN JEDER!" - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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MARTINA CROSS: "GRAUEN EINHEITS-MISCHMASCH KANN JEDER!"

Im Gespräch


„Gothic Fantasy“ enthält ausschließlich Bilder Deiner schottischen Wahlheimat und erzählt, als in sich geschlossener Zyklus, auch eine Geschichte. Über welchen Zeitraum sind diese Aufnahmen entstanden, und welche Erinnerungen verbindest Du mit dieser Landschaft?


Tja, meine Wahlheimat Schottland, in der ich über zehn
Jahre lang gelebt habe, hat mich eigentlich schon immer begeistert. Es gibt dort so viele verlassene Häuser und Friedhöfe, wo schon jahrzehntelang niemand mehr gewesen zu sein scheint. Solche Orte haben mich immer magisch angezogen. Nachdem ich 2005 meine erste DSLR Kamera bekam, gab es für mich kein Halten mehr. Da sich in unserer unmittelbaren Umgebung viele alte Friedhöfe befanden, habe ich dort immer wieder fotografiert. Alte Grabsteine sind dankbare Models; sie können schließlich nicht weglaufen!

Wann hast Du zum ersten Mal gespürt, dass da etwas ist zwischen der Kamera und Dir; diese besondere Chemie, die auch für den Betrachter Deiner Bilder sofort spürbar wird?


Eigentlich habe ich schon immer "Mein Ding" durchgezogen. Wenn meine Bilder jemandem
gefallen haben, habe ich mich natürlich gefreut; wenn nicht, dann war es mir auch egal. Hauptsache, die Bilder haben mir selbst gefallen; ich habe darin mich ausgetobt, wie ich wollte. Natürlich gab es auch immer wieder Kritik, doch das stachelte mich nur noch mehr an, meine Techniken zu erweitern und zu verbessern. Zum Glück muß ja nicht jedem Alles gefallen; wo kämen wir denn da hin?

Die von Menschenhand völlig unberührt scheinenden Weiten der Natur, leise bröckelndes Gemäuer und die mahnende Stille sanft ruhender Friedhöfe: Wie bist Du auf diese sphärischen Orte aufmerksam geworden?


Bei meinen Urlaubsreisen
nach England und Schottland habe ich immer ganz gezielt nach alten Friedhöfen Ausschau gehalten. Als ich dann nach Schottland gezogen bin, waren ja plötzlich ganz viele sozusagen an der Türschwelle. In ganz vielen Gemeinden gibt es noch die alten Friedhöfe oder "Burial Grounds", wie die Schotten sie oft nennen, mit jahrhundertalten Grabsteinen und verfallenen Kapellen. Leider ist das bei uns in Deutschland ja ganz anders, oft werden die alten Gräber schon sehr bald aufgegeben und die Grabsteine entfernt.

Obwohl Farbe in Deinem umfangreichen Portfolio eine große Rolle spielt, hast Du dich mit diesem Kalender ganz klar für Schwarzweiß entschieden. Was ist der besondere Reiz dieser „Stimmungswelt“?


Die Schwarzweiß-Fotografie hat mich schon immer gefesselt. Ein gutes SW-Bild zu gestalten, finde ich persönlich immer sehr schwierig. Um ein Foto in SW umzuwandeln, mit Licht, Schatten und Kontrasten zu spielen und es künstlerisch ansprechend zu gestalten, bedarf einfach mehr als nur einen simplen Klick in einem Bildbearbeitungsprogramm. Grauen Einheits-M
ischmasch kann jeder! Es gibt momentan ja sehr viele SW-Bilder, doch wenige schaffen es auch, mich persönlich mitzureißen... Auf Unter-Ton.de sind schon auch ein paar Knaller vertreten!

Danke für das Kompliment! Da muss ich echt aufpassen, dass ich am Ende nicht rot werde. Leider hält mich das Schreiben momentan so auf Trab, dass ich irgendwie gar nicht dazu komme, neue Bilder zu teilen. Muss ich aber auch gar nicht, schließlich gibt es ja weitaus talentiertere Foto-Jäger (und Sammler) da draußen.

Was mich natürlich wieder zurück zu "Gothic Fantasy" bringt!

Die Wahl fällt sicher nicht leicht, aber welches dieser Monatsblätter ist Dein ganz persönlicher Favorit, und gibt es eine Geschichte dazu?


Ach,
das ist eigentlich gar nicht so schwer: Es ist der Januar. Die Aufnahme zeigt alte, verwitterte Grabsteine in einem sehr alten, kleinen "Kirkyard", nahe dem nördlichsten Punkt Großbritanniens. Der Friedhof ist eingewachsen von alten Bäumen, und auch bei hellem Tageslicht hat er immer etwas unheimliches an sich. Hinter der verfallenen Kapelle befindet sich nämlich, der Sage nach, das Grab der "Selkie Woman". Selkies sind in den schottischen Legenden Wesen, "halb Mensch-halb Seehund". Diese Selkie-Frau wurde als Baby, eingewickelt in Seehundsfell, gefunden. Im Laufe ihres Lebens wurde ihr immer der Zugang zur Kirche verweigert, weil man meinte, sie sei eine Teufelsanbeterin. Als sie dann im Kindbett den Tod fand, wurde sie ganz hinten, fast im dunkelsten Eck des Friedhofs, begraben. In ihrem Grabstein befindet sich eine Art kleine Öffnung, die immer feucht ist; der Legende nach heißt es, dass ihr Grab nie austrocknen wird und dass es Unglück bringt, wenn man in das Loch hineinfasst. Natürlich habe ich es trotzdem gemacht, aber Unglück hat es mir bisher keins gebracht...

Die Monat
sblätter von Whitby finde ich übrigens auch stark, Whitby ist ja einfach das Goth Mekka schlechthin :-)

In Deinen Fotos scheint die Zeit förmlich zu gefrieren. Trotzdem laufen die Uhren hinter den Kulissen natürlich umbarmherzig weiter. Planung, Shooting, Nachbereitung: Wie viele Arbeitsschritte verbergen sich hinter den einzelnen Motiven, und wie lange braucht es, bis Du das "Rohmaterial" in magische Momente verwandelt hast und mit den Ergebnissen zufrieden bist?


Viele meiner Bilder entstehen zum Beispiel auf Spaziergängen. Meistens schieße ich dann auch "aus der Hüfte" Stative sind mir ein Gräuel! Wenn ich nicht ein ganz bestimmtes Motiv oder eine passende Location im Kopf habe, sondern einfach nur so vor mich hin knipse, klappt das meistens sehr gut. Möchte ich zu einer bestimmten Location, informiere ich mich vorher darüber im Netz und mache meine Recherchen. Da ich meine Bilder gerne schon in der Kamera so aufbaue, daß ich nicht mehr viel beschneiden muss, erleichtert mir das das Nachbearbeiten schon um einiges. Bei vielen Motiven reicht es dann völlig aus, wenn man sie anschließend kurz gerade richtet oder Kontraste und Schärfe variiert. Das geht immer ganz schnell. Bei künstlerisch anspruchsvolleren Pics kann es schon passieren, dass ich zuweilen ewig nach der richtigen Textur suche - und dann nochmal ein halbes Jahrhundert an den Photoshop-Reglern herumschraube, bis mir das Endergebnis gefällt. Manchmal muss das geschossene Foto auch erst eine ganze Weile auf der Festplatte schmoren, bis es nach Monaten oder Jahren endlich "wiederentdeckt" und bearbeitet wird.

Für meine ersten DSLR-Erfahrungen habe ich mich an die Schwäne im Nymphenburger Schlosspark gewagt. Die Ergebnisse waren natürlich eher suboptimal, aber nach etlichen „Fehlstarts“ habe ich dann doch noch meinen Frieden mit dem Gerät geschlossen. Kannst Du dich noch an das erste Bild erinnern, dass Du mit einer professionellen Kamera aufgenommen hast?


Na ja, genau an Bild Nummer Eins
vielleicht nicht mehr so ganz, aber an die ersten mit der DSLR schon. Ich bin eine alte Horderin und Sammlerin, und kann mich auch von weniger guten bis extrem schlechten Bildern nur sehr schwer trennen. Auf meinen Computer gibt es keinen "Delete"-Button; und wenn, dann habe ich ihn wohl noch nicht entdeckt. Frag mal meinen Mann, wie viele Festplatten wir bei uns daheim haben. Ich kann jedem Anfänger nur empfehlen, die Bedienungsanleitung der Kamera gut zu studieren: Die Bedienungsanleitung war nach dem ersten Kamerakauf über zwei Wochen lang sozusagen "meine Bibel"

Was bedeutet der Begriff „Gothic Fantasy“ für Dich?


Mit dem
"Gothic Fantasy"-Kalender wollte ich einfach eine Vorlage schaffen, die sich im Kopf des Betrachters am Ende in eine ganz eigene Geschichte verwandelt. So etwa wie mit einem Buch: Ich lese es, aber es bleibt meiner Fantasie überlassen, wie ich es ausschmücke. Hätte ich jetzt ein paar Gothic Models mit auf den Bildern, wäre diese Fantasie schon wieder in eine bestimmte Richtung gelenkt und die Aussage wäre eine ganz andere.

Welches Foto, ob selbst geschossen oder in den Medien gesehen, hat Dich zuletzt besonders berührt?


Das ist wohl die schwierigste Frage in diesem
Interview! Die Medien umspülen einen ja geradezu mit Bildern, die einen jeden Tag berühren. Bilder, die mich wirklich geschockt haben, waren bei einer Stockagentur für internationale Medien, die Details vom Flugzeugabsturz der Pasagiermaschine MH17 in der Ukraine gezeigt haben.

Gibt es ein bestimmtes Motiv, das Du in nächster Zeit unbedingt noch fotografieren möchtest?


Ja klar;
es gibt sehr viele tolle Sachen, die noch drauf warten, von mir geknipst zu werden. Chamäleons zum Beispiel...

|| INTERVIEW: ANTJE BISSINGER | DATUM: 28.11.2014 | KONTAKT | WEITER: KALENDER-BESPRECHUNG "GOTHIC FANTASY" 2015 >



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Website
www.martinacross.com

Facebook
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BANNER/FOTOGRAFIE © MARTINA CROSS.

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