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PALAST "PALAST" VS. PRINCIPE VALIENTE "OCEANS" VS. THE FATHER & THE SUN "REMEMBER": POP WIRD GREAT AGAIN

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Das Rezept ist denkbar einfach, seine Umsetzung aber schwer. Man nehme eine wohlgefällige Melodie, einen markanten Refrain, einen einprägsamen Text - fertig ist der perfekte Prototyp-Popsong. Doch wie viele sind an dieser Aufgabe schon kläglich gescheitert.

Andererseits gibt es immer wieder Musiker, die scheinbar mühelos, ja fast wie von selbst, eine atemberaubende Nummer nach der anderen produzieren. Ganz so, als hätten sie seit Anbeginn ihres Schaffens nie etwas anderes gemacht. Wenigstens mutete die vorab rausgeschickte EP "Hush" die Berliner Electroformation Palast wie ein Werk fokussierter Künstler an, die seit langem einen klaren Plan von ihrer Musik besitzen. Dabei präsentiert das Trio um den fulminanten Sänger Sascha Pace jetzt gerade mal ihr selbstbetiteltes Debüt.

Doch dieses zeigt, wie die EP auch, keine Spur von Zurückhaltung oder stilistischem Abtasten. Die donnernden Synthie-Drums gleich zu Beginn von "Shut The Door" machen deutlich, dass die Band voller Selbstbewusstsein und ihrer Sache gewiss ist. Hier wird mit Pomp auf den Putz gehauen, sodass sich alle Kameras zu ihnen drehen. Selbst musikalische Verweise auf die großen ihrer Zunft, in erster Linie natürlich Depeche Mode, gelingen ihnen mit einer fast schon unverschämt zu nennenden Lässigkeit. Man höre sich nur die ersten Takte von "She Can Dance" und "Stand Up" an, die sich bei der Industrial-Pop-Phase der Briten bedient, um diese Pfade aber auch schnell wieder zu verlassen.

Sie deuten ja nur an, in welchem klanglichen Humus ihre Wurzeln fußen. An jedem Ende der zehn Songs setzen die überaus stylischen Palast-Boys immer ihre ausladende Unterschrift darunter. Als deutsches Pendant zu den etwas zu schnell gehypten Hurts vereint "Palast" die klangliche Wunderwelt der New Romantics mit den heutigen Hör- und Produktionsgewohnheiten. Eine breite Fangemeinde aus modebewussten Twentysomethings mit Hang zur leichten Melancholie und nostalgischen 80er-Verfechtern sollte dem Trio daher sicher sein.

Was soll man aber auch anderes machen, als dieses Album immer wieder von neuem beginnen zu lassen? Man kann einfach nicht genug von solchen Stücken wie "Mirror Mirror" bekommen. Gerade diese Nummer wurde wunderbar ausbalanciert zwischen schmollmundigem, latent renitenten Strophen und einem federleichten Refrain, bei dem allein die zackig angeschlagenen, gegenläufige Gitarre ein Träumchen ist. Auch "One Day" speist seine Dynamik aus dem trockenen, ultracoolen Zwischenspiel, das sich zu einem jubilierenden Chorus transformiert.

"Palast" schafft ein selten gewordenes Kunststück: Ihre Lieder sind üppig und sauber produziert, wirken aber nie zu rundgelutscht, sondern besitzen immer noch kleine Widerhaken und individuelle Duftmarken. Eine Band, der das seit Jahren gelingt, ist Mesh, die zwar über ein strahlendes Pop-Appeal verfügt, aber dennoch so authentisch wirkt, dass sie vor allem in der Synthesizer-Liebhaber-Fraktion der Gothic-Gemeinde seit Jahrzehnten anerkannt sind. Für Palast könnte in Zukunft das gleiche gelten. Alle Anlagen dazu sind jedenfalls vorhanden.

Wenn es um höchst talentierte Novizen geht, sind auch Principe Valiente zu nennen. Auch wenn der Name südländisches Flair versprüht, stammt diese Band, bestehend aus drei Jungs und einer Keyboarderin, aus dem schönen Schweden. Das allein sollte schon positiv stimmen, besitzt dieses Völkchen doch ein sicheres Gespür für gute Pop-Nummern.

Mit ihrem dritten Album "Oceans" gelingt ihnen nun die perfekte Punktlandung mitten ins Zentrum schwelgerischer Gitarren-Sounds. Ihre Schoegaze- und Post-Punk-Anfänge verleugnen sie dabei nicht, haben sie aber einer wunderbar losgelösten Gesamtkomposition mit Mut zu ausladenden Melodieläufen untergeordnet. Bereits die Vorabauskopplung "Strangers In The Night" wartet mit einem markanten Saitenspiel auf, unterstützt von einem dunklen Rhythmusgerüst und flirrenden Keyboard-Sounds.

Ihre untrügerische Liebe für die Grandezza alter 80er-Rock-Nummern hört man bereits bei "Wild Flowers" durch, das bei aller Schuhstarrer-Manierismen auch Vergleiche mit Simple Minds oder gar U2 zulässt. Dabei profitiert das Ensemble vor allem von seinem Frontmann Fernando Honorato. Seine Stimme erinnert in Duktus und Klangfarbe überdeutlich an David Bowie, was allein schon ein Hinhörer ist. Wie es wohl gewesen wäre, wenn The Smith oder The Cure zusammen mit "Ziggy Stardust" aka "The Thin White Duke" aka Bowie selig eine Platte aufgenommen hätte? "Oceans" gibt eine vage Idee davon.

Aber es ist nicht nur die goldene Stimme Honoratos allein, die Principe Valiente aus dem Meer an Musikern herausstechen lässt, auch wenn der Mann noch selbst neben dem Rauschen einer Toilettenspülung unwiderstehlich klingen würde. Ohne die wunderbar ausstaffierten Songs wäre "Oceans" nur eine halbe Freude. Das nordeurpäische Quartett besitzt die Fähigkeit, Songs ohne Hektik entstehen zu lassen. Mit einer sacht gespielten, verhaltenen Klavierfigur beginnt beispielsweise "Untouchable", langsam setzen Synthieflächen und Bass ein. Am Ende bricht ein tönerner Sturm los. Es reißt einen fort, spült einen weg, treibt einen von sicheren Gestaden ab. "Oceans" zieht den Hörer in eben jene schier unendlichen Gewässer.

In dieser Intensität brechen sich alle acht Songs Bahn durch die verschlungenen Wege, die direkt zu unseren Herzen führen. Während manch andere Band es nicht schafft, über die seelenlose Emotionsprojektion, die naturgemäß ins Leere läuft, hinauszukommen, bringen Principe Valiente eine klare Offenbarung des Herzens zu Tage, das zuletzt nur noch The Pains Of Being Pure At Heart so makellos und überzeugend gelang.

Hier wird das Leben gefeiert und gleichzeitig grüblerisch betrachtet. "Oceans" pendelt zwischen Lebensfreude und Existenzzweifel. Das alles gelingt ihnen aber mit einer zauberhaft zu nennenden Unaufgeregtheit. Bleibt zu hoffen, dass es die Schweden schaffen, ihren Fankreis auch hierzulande zu verbreitern. Verdient hätten sie es alle mal.

Das gleiche gilt übrigens auch für The Father And The Sun. Ihre auf Vinyl erschienene EP "Remember" darf man getrost als eines der herausragenden Werke dieses Jahres bezeichnen. Das ist bereits am ersten Song "Lies" zu erkennen. Hier wird ein grandioser Katalog alter New-Wave- und Pop-Recken in die Komposition eingearbeitet. Irgendwo zwischen Cock Robin und New Order angesiedelt, treibt das Synthie-Arpeggio das moderate Gitarrenspiel sowie ein leicht fiebriges Schlagwerk voran. Der klare Bariton von Ronny Janmaat zählt zu den schönsten seit langem in dieser Branche und veredelt das wunderbare Kleinod.

Besonders bei "Culture" zeigt The Father And The Sun, zu was sie in der Lage sein können. Das dynamische Zusammenspiel zwischen Bassist Rogier Van Den Brink und Gitarrist Paul Dekker sowie der im Ohr eingefräste Refrain markiert die Hinführung zum Höhepunkt, der sich schließlich im nachfolgenden Stück "Dad" manifestiert.

Hier wird ein Melodienfetischismus erster Güte sichtbar. Einfach nur atemberaubend in seiner Tonfolge und von einem computerisierten Beat unterfüttert, gewinnt "Dad" mit jeder Sekunde mehr an zittriger Spannung und ist mit Abstand der vollkommenste Song der Niederländer. Würden Lieder dieses Formats das gleichnamige Format-Radio bereichern, wäre es vielleicht wieder möglich, den Sendeempfänger einzuschalten, ohne vor Verzweiflung ob der derzeitigen tumben Beschallung in die Tischplatte zu beißen.

Es liegt aber wohl in der Natur der Niederländer, sich musikalisch von allen Einflüssen zu emanzipieren. Wer wie der Autor dieser Zeilen im Grenzgebiet zu Holland lebt und auch die dortigen Radiosender empfängt, wird schnell feststellen, dass die Musikvielfalt in deren Radiolandschaft locker die uniforme Jedermanns-Dudelei Deutschlands in die Tasche stecken kann. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Sie könnte allerdings eine Erklärung dafür sein, warum das Vierergespann derart leicht und unverkrampft an die Sache herangeht. Vielleicht haben sie alle viel Heimat-Radio in ihrer Jugend gehört.


Die Tatsache aber, dass The Father and The Sun auf einem kleinen spanischen Label ihre Songs veröffentlichen, lässt die Hoffnung schnell wieder absterben, die Gruppe auch mal hierzulande im Radio zu hören. Dennoch belegen die fünf Songs, die in ihrem Arrangement einfach nur meisterlich sind, was Popmusik immer noch zu leisten vermag.

Zusammen mit "Palast" und "Oceans" bildet "Remember" ein Triumvirat einnehmender Melodien und spannungsgeladener Nummern. Sie bringen die Selbstverständlichkeit und auch die Freude an der großen Geste des Pop wieder zurück und bilden das Gegestück zum aktuell höchst aussagearmen Radiosound, der sich irgendwo zwischen germanischer Rührseligkeit mit Schlagerkante und sedierender Pseudo-Clubmucke in die eigene Belanglosigkeit manövriert hat. Wer hätte gedacht, dass Popmusik in seiner reinen Form wieder subversiv werden könnte.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 13.03.17 | KONTAKT | WEITER: A FLOCK OF SEAGULLS "REMIXES AND RARITIES" >

Webseite:
www.palastband.com
www.principevaliente.com
www.thefatherandthesun.com


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COVER © NoCut/SPV (Palast), afmusic (Principe Valiente), Oraculo Records (The Father And The Sun)

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