GREEN LAKE PROJECT "THRUST" VS. AMOUNT "EXPANDING ABUNDANCE" VS. TERENCE FIXMER "NOLATITUDE FOR ERRORS": HEISSER DANCEMBER - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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GREEN LAKE PROJECT "THRUST" VS. AMOUNT "EXPANDING ABUNDANCE" VS. TERENCE FIXMER "NOLATITUDE FOR ERRORS": HEISSER DANCEMBER

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Ronny Mollenhauer und Stephan Witzovsky stammen aus Wustrow in Mecklenburg-Vorpommern, einer kleinen verschlafenen Gemeinden inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte. In diesem Landstrich also, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, geschieht die Magie. Denn trotz des ländlichen Charmes haben die beiden Männer als Teil des 3000Grad Kollektivs den Nordosten Deutschland festivaltechnisch auf die Karte gebracht. Die Feldberger Seenlandschaft wird hier alljährlich zu einem Happening mit Musik aus allen Bereichen. Das besondere daran ist die familiäre Arbeitsweise des Kollektivs, das im Dokumentarfilm "3000Grad - Von Wustrow nach Paris" liebevoll herausgearbeitet wurde und sehr sehenswert ist.

Doch geht es hier und heute um "Thrust", dem Album der beiden Musiker, die zusammen als The Green Lake Project firmieren (der Name rührt wohl von einem See ihrer Heimat, der türkisgrünes Wasser führt). Und da ist von provinzieller Attitüde rein gar nichts zu erkennen. Das Gegenteil ist eher der Fall. "Thrust" kommt mit einem sehr urbanen Hybrid aus Techno, Disco und einer Spur Psy-Trance daher. Basis ist stets eine sich stringent durchziehende Bassdrum, die von mal flächigen, mal blubbernden Basslinien umspielt werden. Darüber flirren minimal gehaltene Sequenzen, die durch diverse Filter gejagt werden. Das hypnotische Momentum bildet die Quintessenz der insgesamt zehn Tracks.

Trance-Enthusiasten werden sich indessen auch an einigen Verweisen auf die Blütezeit dieses Genres erfreuen. "Halo" beinhaltet den Gesang von Opus III "It's A Fine Day", einem Clubklassiker von vor 30 Jahren (der seinerseits auf den A Capella Gesang der Künstlerin Jane von vor knapp 40 Jahren basiert). Der Gesang als solcher bleibt bei "Thrust" eher nur im Hintergrund, kommt aber dann sehr präzise an der richtigen Stelle. Bei "Thorn" wird er roboterhaft verfremdet (kennt jemand noch "Mr. Roboto" von Styx?), während "The Breach" mit dezenteren Vocodereffekten auf der Gesangslinie arbeitet.

Was die beiden Wustrower Jungs mit ihrem Fuhrpark an elektronischen Instrumenten und Musikprogrammen da gezaubert haben, ist schon aller Ehren wert, verknüpfen sie doch konventionelle Trance- und House-Elemente mit einem minimalen Sounddesign, der sich deutlich mit der Gegenwart auseinandersetzt. Für die nächste 3000Grad-Feier ist musikalisch auf jeden Fall schon mal vorgesorgt.

Nun gehen wir aber in die Hauptstadt und Metropole Berlin und finden dort den DJ Amount, der bereits als eine Hälfte des Duos Soukie & Windish Bekanntheit erlangt hat und jetzt "Expanding Abundance" als Solo-Platte auf die tanzwütige Gemeinde loslässt. Diese können sich auf einen schweißtreibenden Trip durch verschiedene elektronische Genre freuen. Wie auch das zuvor besprochene Green Lake Project, besitzt Amount den geschärften Bick für die Glanzlichter und ikonischen Klänge der Vergangenheit. House und Dark Disco bilden dabei die Eckpfeiler seines musikalischen Universums.

Doch noch ahnt man nichts von seiner ausgelassenen Feierei. Die Eröffnung "The Trip" schleppt sich mit leiernden Orgelklängen durch das Stück, als ob jemand eine falsche Geschwindigkeit am Bandabspielgerät eingestellt hat. Kurz vor dem Moment, in dem man glaubt, jetzt schläft Amount über seinen Knöpfen am Mischpult ein, setzt er zum "Lovestorm" an. Dieser besteht aus klassischen Housesequenzen und einem smoothen Beat. Ab diesem Moment scheint der Musiker auf Betriebstemperatur zu sein, denn von jetzt an darf das Tanzbein geschwungen werden.

Stücke wie "Panik unter Palmen" und "Exotic Punch" verraten schon in ihren Titeln die emotionale Richtung des Albums. "Expanding Abundance" ist zu gleichen Teilen Licht und Schatten. Einerseits besitzen seine Stücke eine unglaubliche positive Energie und befeuern unsere hedonistischen Triebe, doch bei aller Positivität wohnt den Liedern auch eine angenehme Melancholie inne.

Amount verquickt diese beiden Pole in Stücken wie "Rimini Dream" und "Acapulco Beat", indem er auf Orte verweist, die einst eine Touristenattraktion waren. Rimini war bis Anfang der 1980er ein beliebtes Reiseziel, ehe 1982 eine Algenplage unser reisewütiges Völkchen andere Plätze aufsuchen ließ. Und Acapulco wird seit den 10er Jahren aufgrund der anhaltenden Drogenkriminalität als eine der gefährlichsten Städte der Welt gelistet, was den Tourismus auch hier zum Erliegen brachte.

So wirken die Songs zwar einerseits voller Sonne, aber andererseits wie eine körnige Super-8-Aufnahme, in der eben jene Sonne schon lange nicht mehr scheint. Die Unbeschwertheit ist Teil der Vergangenheit geworden und existiert nur noch in Erinnerungen. Dennoch gelingt dem Album diese schmale Gratwanderung zwischen Melancholie und Euphorie perfekt, was "Expanding Abundance" zu einem sehr eigenwilligen und kreativen Stück Musik macht.

Von jeglicher Form lichtdurchfluteter Musik ist Terence Fixmer auf seinem neuesten Werk "Shifting Signals" meilenweit entfernt. Der Mann aus Lille war aber noch nie der Verfechter anheimelnder Elektronik. In seinen Stücken zischt und rumpelt es gewaltig. Kein Wunder, dass der 50-jährige ein gefragter Remixer für Größen wie Depeche Mode oder Front Line Assembly ist und zusammen mit Nitzer-Ebb-Frontmann Douglas McCarthy erfolgreich zusammenarbeitete. Die Kantigkeit seiner Songs machte ihn hierzulande schnell berühmt. Als regelmäßiger Schallplattenunterhalter im Berliner U60311 und dem Münchner Ultraschall wurde er in der Szene schnell zu einer festen Größe.

Auf "Shifting Signals" bleibt es erwartbar dunkel und rhythmisch. Die Songs auf "Shifting Signals" basieren auf seine Leidenschaft für Science-Fiction-Spektakel, dem ein traumatischen Kindheitserlebnis vorangeht. Denn wie im Klappentext für Journalisten entnommen werden kann, hatte der kleine Terence bereits seine ersten Sci-Fi-Berührungen mit dem Film "Aliens". Dass dieser nun nichts für so einen kleinen Steppke ist, versteht sich von selbst. Folgerichtig hat ihn der Film derart traumatisiert, dass er die Bilder nicht vergessen konnte. Als er an diesem sein achten Album arbeitete, ploppten die Bilder von damals wieder in seinem Gedächtnis auf.

Sicherlich sind Songs wie "Corne De Brume", das hektische "Automaton" (das nichts mit dem gleichnamigen Song von Jamiroquai gemeinsam hat) und das wie aus einer Dampfmaschine herausgeschleuderte "Step To The Edge" kein Psychogramm seiner Kindheit geworden. Aber sie verdichten an manchen Stellen die Atmosphäre und machen Songs wie "The Passage" mit ihren krakenarmigen Sounds, die den Hörer direkt am Gemächt packen, noch intensiver in ihrem Erlebnis.

Fixmer versteht es nachwievor, die Elektronik "edgy" klingen zu lassen und so das revolutionäre Moment dieser Art von Musikerzeugung offenzulegen. Ein Stück wie "No Latitude For Errors" pfeift auf allgemeinen Wohlklang, lässt die Sequenzen Amok laufen, während sich eine unnachgiebige Basslinie wie ein Braunkohlebagger Stück für Stück durch die Magengrube fräst. Mit "The Way I See You" blitzt Fixmers Liebe für den schweißtreibenden EBM auf. Ab "Oracle" gönnt sich der Franzose eine Verschnaufpause von seinem tönernen Hades. Zusammen mit "Syntheitc Mind" und "Desertic" lässt er die harten Songs hinter sich und gönnt sich die Ruhe, um die Weiten des Weltalls, die bei "Shifting Signals" immer noch künstlerische Antriebsfeder ist, genießen zu können.

Ein wunderbarer Ausklang und der perfekte Einstieg in die After-Hour, nachdem Fxmer, Amount und The Green Lake Project mit ihren Alben das Blut zum Kochen brachten und das Adrenalin in die Höhe schnellen ließen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 16.12.22 | KONTAKT | WEITER: WELLE:ERDBALL VS. REAKTON>

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