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DITA VON TEESE "DITA VON TEESE": VON SCHUSTERN UND IHREN LEISTEN

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Künstler toben sich nicht selten in unterschiedlichsten Sparten aus. Da zeigt sich der sonst eher smarte Pop-Großmeister Justin Timberlake in einigen hinreissenden Komödien ganz allürenfrei von der ulknudeligsten Seite, und vice versa produziert "Dr. House"-Mime Hugh Laurie seit einigen Jahren ansprechende Blues-Alben, während Bryan Adams längst bewiesen hat, dass er als Fotograf mit nicht weniger Talent beschlagen ist, dass sogar Queen Elizabeth II höchstpersönlich sich von ihm ablichten ließ.

Selbst hochbezahlte Models legen sich abseits von Laufstegen und Blitzlichtgewittern kunstvolle Steckenpferde zu. Meistens handelt es sich dabei um Schmuck-, Parfum- oder Modelinien, die von ihnen kuratiert und unter ihrem Glamour versprühenden Namen feilgeboten werden. In seltenen Fällen reüssieren sie aber in einem ganz anderen Genre. Beste Beispiel sind die Models Grace Jones, die ihre unterkühlt-androgyne Attitüde mit reduzierten Disco-Sounds veredelt, sowie das Model Eva Padberg, die zusammen mit ihrem Mann Niklas Worgt alias Dapayk mit entspannten Vocal-Club-Sounds die perfekte Klangkulisse für Großstadt-Lounges sowie urbane Hipster-Diskotheken - und natürlich ultracoole Modeschauen - liefern.

Ein Model als Sängerin kann also funktionieren. Das Sangestalent darf dabei ruhig überschaubar sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ergo die Klänge zu ihrer Ausstrahlung und ihrer entworfenen Rolle in der Öffentlichkeit passen.
Schon allein in diesem Punkt hinterlässt Dita von Teeses selbstbetiteltes Debütalbum einen verwirrenden Nachgeschmack. Als Inbegriff des (Neo-)Burlesque verkörpert sie wie kaum eine zweite den makellosen Männertraum - elegant und distanziert auf der einen Seite, verrucht und lasziv auf der anderen. Von dieser Idee einer perfekten Femme Fatale kann man bei ihrem ersten Versuch, als Sängerin zu agieren, wirklich nicht sprechen.


Eine Frage, die sich als allererstes stellt: Wieso hat sich das Mannequin zur musikalischen Selbstfindung Sébastian Tellier dazugeholt? Zweifelsohne ist der Franzose ein eigenes, interessantes Gewächs, der allerdings auch nicht vor Kitsch zurückscheut, wie sein Auftritt beim Eurovision Song Contest von vor zehn Jahren belegt. Für die jetzige Produktion greift Tellier einmal mehr in den Synthesizer-Giftschrank und holt pastellige Sequenzen und Sounds heraus, die einen eher an schlechte 80s-Soft-Porno-Hintergrundbeschallung erinnert - und somit im krassen Gegensatz zu Ditas Hochglanz-Erotik im gehobenen Stil steht.

Tatsächlich schafft es das Album, so ziemlich jeden Bad-Taste-Moment der jüngeren Pop-Geschichte zielsicher anzusteuern und damit unfreiwillig zu zitieren. Da erinnert die gesangliche Darbietung im überlangen Disco-Stampfer "The Lunar Dance", eine tanzbare Version des Eröffnungsstücks "Sparkling Rain", an den royalen Totalausfall der Prinzessin Stéphanie von Monaco, die mit "Irresistible" ebenfalls bewiesen hat, dass Sangeseinlagen nicht zu ihren zukünftigen adeligen Aufgaben zählen würden. Und von Teeses schauderhafter amerikanischer Akzent im französischsprachigen "Parfum" enthält eine ähnliche ungewollte Komik wie die immergrüne, man könnte auch sagen: untote, Schwoof-Nummer "Yes Sir, I Can Boogie" des spanischen Damen-Duos Baccara. Getoppt wird dies nur noch durch "Porcelaine", bei dem man, dank Télliers gesanglicher Unterstützung, unweigerlich an die frivol-kontroversen Stücke von Serge Gainsbourg denken muss - allerdings ohne dessen künstlerischen Anspruch und schelmischen Augenzwinkern.

Vielleicht muss "Dita von Teese" unter dem Aspekt der Ironie gehört werden, um die nötige Distanz zur eigentlich vollkommenen Kunstfigur Dita von Teese zu bekommen. Dafür wirken die Nummern jedoch zu ernst in ihrer Ausgestaltung, die Texte zu gewollt poppig. Vielleicht schwirrt aber auch Ditas ehemalige Liaison mit dem Schock-Rocker Marilyn Manson immer noch im kollektiven Gedächtnis umher, weswegen man sich eher ein Album voll von düster-erotischen Klangeskapaden oder extrem zackigen Beats im Fembot-Stil von Client gewünscht hätte, als eben jenes nun erschienene Werk, das allenfalls als Klangtapete für Werbeclips für Artikel von Dita von Teese hätte dienlich sein können. Jedoch, so könnte man einwerfen, wäre eine solche S/M-Ausrichtung nicht auch wieder die Bestätigung des Klischees, dass das Model teilweise mit diversen Fotostrecken ebenfalls bedient hat?

All die Konjunktive, all das "hätte, wäre, sollte": Sie ändern nichts an der Tatsache, das "Dita von Teese" ein Konzept besitzt, das hinten und vorne nicht aufgeht, sowohl gesanglich wie auch musikalisch - jedenfalls nicht für ihre Person und noch weniger für ihre Burlesque-Bühnenfigur. Ditas musikalischer Ausflug, von dem man hofft, es möge der einzige in ihrer Karriere bleiben, lässt sich mit einem geflügelten Satz zusammenfassen: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Denn dieses Album erinnert nicht an die so selbstbewusste und über allen Zweifeln erhabene Frau, die mit ikonischer Schönheit gesegnet ist, sondern eher an eine verhuschte Amateur-Lolita, deren erotische Ausstrahlung so hölzern daherkommt wie ein Biedermeier-Nachttisch.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 12.03.2018 | KONTAKT | WEITER: VARIOUS ARTISTS: "LA DANSE MACABRE 3">

Webseite:
www.dita.net


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COVER © RECORD MAKERS/CARGO RECORDS

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