NOSEHOLES "ANT AND END" VS. BUNTSPECHT "DRAUßEN IM KOPF": VAKUUMFLIEGEN TANZEN WASCHMASCHINENTANGO - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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NOSEHOLES "ANT AND END" VS. BUNTSPECHT "DRAUßEN IM KOPF": VAKUUMFLIEGEN TANZEN WASCHMASCHINENTANGO

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In den 1990ern fragte sich die bundesdeutsche Spaßgesellschaft dank eines genialen Werbeslogans: "Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?"

Das werden Noseholes aus Hamburg sicherlich mit einem lauten "JAAAAAAA!" beantworten und darauffolgend in ihre Tasten und Saiten greifen, um gleich den Beweis dafür anzutreten. Schon das vor knapp einem Jahr auf den Markt geworfene "Danger Dance" legte unmissverständlich offen, dass Sängerin ZooSea Cide und ihre Jungs herrlich einen an der Klatsche haben. Dies gilt es nun, auf dem aktuellen Werk mit dem sinnigen Titel "Ant And End" fortzuführen.

"Music don't like us, but we like music" - diese Zeile aus der Zwei-Minuten-Flachsnummer "Jackson 4" steht dabei im Zentrum ihres Albums, das, wie bereits der Vorgänger auch, mit Ach und Krach noch die 20 Minuten vollmacht. Eine metakritische Anmerkung an die heutge Gesellschaft vielleicht, dessen Konzentrationsspanne aufgrund der Gleichzeitigkeit und Überlappung der Informationen unserer digitalisierten Welt auf ein Minimum zusammengeschrumpft ist. Noseholes' distributive Guerilla-Taktik fügt sich nahtlos in die bewusst auf Dada und Geniale Dilletanten referierende Mischung aus Proto-Post-Punk und No Wave ein und lässt das Album wie ein tönernen Flashmob wirken. Jeder der neun Songs hat den Anschein, als seien sie in einer Spontanaktion in Echtzeit und aus dem Stehgreif im Studio aufgenommen worden.

Im Titelstück sowie "Snowsuit Ranger", der "Ant And End" eröffnet, kulminieren bereits sinnentfernte Texte und eine fetzige, auf ein dürres Grundegerüst aus Schlagzeug, Bass und Gitarre bestehende Vorstellung alternativer Rockmusik zu einem nostalgischen 80er-Trip, als die ehemalige Jugend vor dem Hintergrund aus Kaltem Krieg und Umweltzerstörung ihr Heil in der einfachen aber aggressiven Musik suchten.

Traurigerweise bleibt festzuhalten, dass wir mittlerweile schon wieder an diesem Punkt angekommen sind - und "Ant And End" deswegen so gut funktioniert. "Glimmering Mamba" und das flirrige "IQ Model" verstehen es zudem, die dekadente Post-Punk-Stimmung, das sich Suhlen in der Hoffnungslosigkeit und die Komplettverweigerung gegen bestehende Ordnungen wieder aufleben zu lassen. Schlussendlich geht diese Anti-Haltung bei Noseholes so weit, dass sie auch ihr Publikum mit Nichtachtung strafen. "Vacuum Flies", das mit einem schleppenden, monotonen Bass-Lauf und noch schleppenderen Percussions die Grundlage für absolute Nonsense-Lyrik bildet, begleitet von einem quäkenden, kurz vor dem Exitus sich befindenden Saxofon, scheint mit jedem Takt "Leck mich!" zu rufen.

Natürlich ist das alles Pose. Aber diese haben Noseholes sehr gut studiert und verinnerlicht. Das neue Album jedenfalls triggert lieb gewonnene Nostalgiemomente, als man in kaltem Neonlicht seine Weltflucht kultivierte. Für den junggebliebenen Post-Punker und No-Waver von anno Tobak ist diese Band sicherlich nicht gaz unspannend. Dem heutigen Jugendlichen wird solch musikalischer Minimalismus und die bewusst naive Stimmung vielleicht etwas fremd erscheinen, doch die alten Seelen unter den Adoleszenten werden verstehen, welche Sprengkraft sich hinter "Ant And End" verbirgt - und dass, entgegen der Liedzeile vom Anfang, die Musik sich bei Noseholes sehr wohl gut aufgehoben und verstanden fühlt.


Während die Hamburger also die musikalische Nacktheit zelebrieren, gehen Buntspecht aus Wien mit einer weitaus höheren Finesse und geradezu verschwenderisch ans Tagwerk. Allein die Musik erinnert an eine auditive Unermalung für diverse Clownerien im Zirkus. Und wie der Clown bei aller Drolligkeit auch einige melancholische Momente in seinem Programm besitzt, lassen Buntspecht bei "Draußen im Kopf" ebenfalls die Nachdenklichkeit zu. "Hinter den Masken", die offizielle Singleauskopplung, ist so ein Stück. Hymnenhaft, aber gleichzeitig voller Zärtlichkeit lassen Streicher, Klavier und Bläser die romantische Zweisamkeit dieses Stücks erahnen, wenngleich Butspecht es sich immer verbitten, in eine dumm-dusselige Schlagerbarden-Mentalität zu verfallen. Gleichzeitig wünscht man sich, nachdem dieses Lied verklungen ist, dass die angesagten Deutsch-Popper nur ein Jota von Buntspechts musikalischer wie lyrischer Durchschlagskraft besitzen würden - man hätte sie vielleicht in besserer Erinnerung.

Sprache biegt sich Buntspecht zurecht und bettet sie in eine surreale Kulisse ein. Da wird ein "Waschmaschinentango" aufs Parkett gelegt, während in "Guten Tag" dem lyrischen Ich der Sinn danach steht "so weit zu wandern, bis ich mich selbst von hinten seh". Solche Beispiele abstruser Situationen, die sich so weit von der Realität entfernen, um sie zwar noch zu erkennen, aber gleichsam in Frage zu stellen, finden sich unzählige Male auf "Draußen im Kopf". Dem ungezwungenen, experimentierfreudigen Wortspiel folgt das Sextett auch musikalisch, indem es neben dem gängigen Instrumentarium auch Cello, Kontrabass, Harmonica und Saxofon in die Kompositionen integriert, während Lukas Klein mit spröd-fiepigem Gesang die Absurdität der Szenerien in den Stücken intensiviert.

Nun liegt es in der Natur der Dinge, dass man dem buntspechtigen Treiben dieser jungen Musiker auch ein Etikett verpassen möchte. Im ersten elektronischen Schreiben an unsere Redaktion war von "Kammer-Pop" die Rede. Das greift natürich viel zu kurz - und eigentlich auch völlig vorbei. Das Zweitwerk ist ein gewaltiger Klangbastard, der in bierseeliger Runde in einer verrauchten Eckkneipe in Bayern ebenso zu begeistern weiß wie bei einem Kabarett-Festival mit Stehempfang oder einer Surrealismus-Ausstellung. Selbst Punks könnten das Anarchische in den Songs ausfindig machen und sie für sich entdecken und proklamieren.

Möchte man Bezüge zu anderen namhaften Musikern oder Gruppen ziehen, darf man ebenfalls weit ausholen und dabei immer das richtige greifen. Alles findet bei Buntspecht seinen Platz: Vom brecht'schen Kabarett-Punk der Dresden Dolls bis hin zu den lyrischen Eskapaden eines André Heller. Doch eigentlich zählt bei den Jungs nur eines: "Ich bin doch noch ein Kind und ganz tief innen drin werd ich, wenns mir gelingt, immer so sein."

Die ungehemmte Spielfreude, das waghalsige, fast schwindelerregende Jonglieren mit den Wörtern und deren Bedeutungen traut sich nur, wer ohne Furcht und mit einer gewissen Naivität beschlagen ist. Noseholes und Buntspecht haben sich genau das bewahrt, was sie zu buchstäblich hervorragenden Künstlern macht.


||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.05.19 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 5/19>

Webseite:
noseholes.bandcamp.com
www.buntspechtband.at

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Cover © ChuChuRecords/Broken Silence (Noseholes), Phat Penguin Records/Broken Silence (Buntspecht)

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