
Seit seinem Start in 2007 haben sich
Whiskey Myers vor allem in den Staaten einen Namen machen können. Die aus Texas stammende, sechsköpfige Band ist tief verwurzelt im Country- und Southern-Rock ihres Landes. Dabei packen sie auf ihrem siebten Album "Whomp Whack Thunder" in die Songs die Energie ihrer Live-Auftritte, von denen sie laut eigener Aussage mehr als 3.000 hatten. Neben zahlreichen Festivalaufritten dürften die Einladungen als Support für
Lynyrd Skynyrd und
The Rolling Stones sicherlich zu ihren Höhepunkten zählen. Gleichzeitig lassen diese großen Namen ihre musikalische Sozialisation vermuten. "Whomp Whack Thunder", entstanden in den Pinienwäldern von Ost-Texas und bei Poduzent Jay Joyce in einer dreiwöchigen Session, bringt Whiskey Myers eine große Spielfreude und natürliche Wildheit mit. Dabei zeigen sie sich von Genregrenzen unbeeindruckt, versuchen sich in "Icarus" erfolgreich im Sprechgesang oder lassen in "Tailspin" psychedelisch-dubbige Momente zu. Die Höhepunkte setzt das Sextett aber dann, wenn sie sich ganz nah und unverfälscht an die originären Sounds halten. "Break The Chains" als unverschämt grooviges Stück mit klanglichen Anleihen an "On The Road Again" von
Canned Heat besitzt ebenso einen Ohrwurmcharakter wie das bluesige und gleichsam programmatische "Rock'n'Roll". Hier wird das Musikgenre als verbotene Frucht, in die man aber zu gerne reinbeißen möchte, beschrieben. Diesen subversiven Charakter kann Rock'n'Roll zwar nicht mehr aufrecht erhalten, aber durch Whiskey Myers Wirken lässt sich die aufrührerische Kraft dieser Musik zumindest erahnen. Vor drei Jahren erschien mit "Tornillo" ihr erstes Album, das auch die Charts in Deutschland enterte, zwar nur für eine Woche und nur Platz 38, aber immerhin. Mit "Whomp Whack Thunder" sollte sich der positive Trend weiter fortsetzen.

Ein Stück näher am Blues sind
The Rootworkers. Und das erstaunt schon, denn hört man sich ihr neues Album "Don't Beat A Dead Horse" an, würde man nicht spontan auf die Idee kommen, dass diese Gruppe aus Italien stammt. Vielleicht hilft auch dieser geologische Abstand zur Wiege des Blues, um das Genre erneut und ohne Vorbelastung zu durchdenken. Der Titel, eine Redewendung für die Sinnlosigkeit eines Unterfangens, wird vom Plattencover ins Gegenteil verkehrt. Übertragen auf die Musik von The Rootworkers bedeutet das: Auch wenn scheinbar die Bluesmusik keine neue Erkenntnisse mehr bringt, wagen sie sich an dieses "tote Pferd" ran, das bei genauer Betrachtung noch immer viel Leben besitzt. Die Band verpasst den bekannten Strukturen eine Menge Portion Dreck und Schweiß. Da darf wie in "Catfish Blues" (eine Coverversion des legendären Songs vom nicht minder legendären Blues-Gitarristen
Robert Petway) das Saiteninstrument gerne mal aufheulen und martialisch bearbeitet werden, während in "Desert" eine Prise psychedelischer Klangzauber und latente Reggaeanleihen in "It's Gone (And It's Alright)" zu vernehmen sind. Über alllem steht die krächzige Stimme von Enrico Palazzesi, die mehr schreit als dass sie singt. Und das ist verdammt gut so, weil es den schweißtreibenden Impetus und die unbändige Energie der Stücke ein weiteres Mal unterstreicht. Das alles lässt die Mundwinkel automatisch nach oben wandern, weil man bei The Rootworkers einfach ein gutes Gefühl bekommt. "Don't Beat A Dead Horse" ist ein klares Statement einer Band, die den Delta-Blues liebt und den darauf aufbauenden Blues-Rock verinnerlicht hat, ohne ihm sklavisch zu huldigen. Nur was sich weiterentwickelt, kann fortbestehen - "Don't Beat A Dead Horse" ist ein lebendiges Beispiel dafür.

Auch Neuseeland ist nicht gerade Adresse Nummer eins, wenn man an authentischen Blues denkt. Doch
Solomon Cole beweist mit "Ain't Got Time To Die" das Gegenteil und legt gleich zu Beginn ein bockstarkes Ausrufezeichen. Der Opener "Day Of Reckoning" kommt mit schleppendem Chain-Gang-Rhythmus und einer intensiv erzählten Geschichte daher, dass es einem heiß und kalt durch die Glieder. Doch bereits "Get Up Get On" zeigt ein anderes Gesicht des Mannes aus Waiheke Island: treibend, rockig, geradlinig und fast schon eingängig poppig. Allerdings verbietet sich der Mann jede Form von Anbiederung. Auch die Adaption südstaatlicher Klänge geschieht nicht reflektionslos. Cole bringt in den cineastischen Songs, die einen
Howlin Wolf ebenso eingedenken wie die melancholisch-kaputten Stücke eines
Nick Cave oder
Tom Waits, seine eigene Note mit rein. Dennoch bekommt man bei Stücken wie "Apocryphal Flood Blues" fast das Gefühl, direkt in den sumpfigen Gebieten der amerikanischen Südstaaten zu sein und in einer verqualmten Kneipe einem Mann zuzuhören, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. "Ain't Got Time To Die" ist ein Album über Vergänglichkeit und Widerstandsfähigkeit - klassische Blues Topoi also. Das Kunststück besteht für den Musiker darin, die Sichtweise zu ändern oder die klanglichen Vorgaben derart zu modifizieren, dass kein x-tes Blues-Album entsteht, das seelenlos durch den Äther wabert. Das liegt zum einen am Musiker selbst, der in dieses Album seinen persönlichen Lebensweg in den letzten neun Jahren zusammenfasst - mit allen Höhen und Tiefen. Und dann ist da noch Eddie Rayner, ehemals Keyboarder bei
Split Enz und später auch bei
Crowded House, der Cole tatkräftig bei der Produktion unterstützte. Er rundet "Ain't Got Time To Die" zu einem überzeugenden Kiwi-Blues-Album ab, das sich vor den amerikanischen Originalen nicht verstecken braucht.

"Meiner Meinung nach ist er der beste moderne Gitarrist. Punkt." Worte wie in Stein gemeißelt, gesagt von Blues-Legende
B.B.King. Die Lorbeeren galten einem Mann, der heutzutage fast in Vergessenheit geraten ist:
Earl Zebedee Hooker, Cousin des deutlich bekannteren Blues-Granden
John Lee Hooker. Doch während letztgenannter zum Aushängeschild des Delta Blues wurde, gelang Earl nie der kommerzielle Durchbruch. Sein Einfluss auf das Genre war jedoch weitaus größer gewesen, als es die Geschichtsbücher uns darlegen. Earl, der nur 40 Jahre alt wurde, litt seit frühester Kindheit an Tuberkulose, was ihm eine Gesangskarriere unmöglich machte. Also perfektionierte er sein Gitarrenspiel. Slide-Technik, Einsatz des Wah-Wahs und das Nutzen exotischer Instrumente wurden zu seinen Markenzeichen und waren für damalige Zeit revolutionär.
The Vine Street Shuffle erinnern an diesen Musiker mit dem Album "Zebedee", das einige seiner Songs mit einer großartigen Verve nachspielt. Die französische Combo hat sich imLaufe ihres Wirkens einen Ruf als Gralshüter der instrumentalen Bluesmusik erspielt. Eine Stimme ist bei ihnen nicht zwangsläufig nötig. Deswegen ist ihnen Earl Hooker sicherlich näher dran als andere aus diesem Genre. Zwar finden sich mit "You Got To Lose" oder "The Misfit" einige Stücke mit stimmlicher Begleitung, der Fokus liegt aber auf den Ideenreichtum des Mannes, der gerne über den Blues-Tellerrand hinaus geblickt hat und klassische Strukturen durch neue Techniken aufbrach. "Dynamite" mit seiner klassischen Rock-Akkord-Folge ist ebenso bemerkenswert wie das kurze, latent funkige "Two Bugs And A Roach". "Zebedee" klingt dabei herrlich nostalgisch und gleichzeitig frisch. Zudem macht es Lust, sich mit dem Oeuvre dieses Mannes aus Mississippi, der 1970, als sein Stern aufzusteigen begann, seiner Krankheit erlag, näher zu befassen.
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Covers © Wiggy thump (Whiskey Myers), Bloos Records (The Rootworkers), Dixiefrog Records (Solomon Cole, The Vine Street Shuffle)
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© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014