"BURN IT UP: THE RISE OF BRITISH DANCE MUSIC 1986-1991": THE SOUND OF UMBRUCH! - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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"BURN IT UP: THE RISE OF BRITISH DANCE MUSIC 1986-1991": THE SOUND OF UMBRUCH!

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Es war ein Skandal mit Ansage. Denn M/A/R/R/S konnte sich sicher gewesen sein, dass ihr "Pump Up The Volume" nicht allen Kollegen schmecken würde. Schließlich war ihr Song der erste kommerziell erfolgreiche, der intensiv das Stilmittel des Sampling nutzte, also das Verwenden fremder Songversatzstücke. Sicherlich war dieses Verfahren schon länger im Einsatz - bereits in den 1960er Jahren konnte man mittels des Mellotrons verschiedene andere Instrumente und Songs einspielen. Allerdings war dies ein noch sehr aufwändiges verfahren. Erst mit dem CMI Fairlight und dem Casio SK-1, um nur einige zu nennen, wurde das Sampling digital und zunehmend erschwinglicher.

Über kaum einem anderen Song entbrannte sich jedoch die Frage nach dem Schutz der Urheberschaft. Schließlich haben unter anderen das Produzententrio Stock/Aitken/Waterman M/A/R/R/S verklagt, weil sie ohne Erlaubnis ein Sample einer ihrer Kompositionen nutzte. Schließlich führte dies zu einer Verhackstückelung von "Pump Up The Volume", das je nach Rechtslage in jedem Land etwas anders klang.

Doch dieser Song markierte eine interessante Entwicklung in der Dance-Musik in England, die bereits einige Jahre zuvor ihre Anfänge genommen hat. Die Elektronik beherrschte mittlerweile die Musikproduktionen. Beeinflusst von den innovativen Klängen eines DJ Frankie Knuckles, der in Chicago das "Warehouse" zur ersten Club-Adresse aufbaute und "House-Music" als neue Spielart discoid-maschineller Musik aus der Taufe hob, begann ein klanglich-ästhetischer Umbruch, der sich durch extrem sequenzierte Musik auszeichnete.

Gleichzeitig manifestierte sich im britischen Manchester ein neuer Sound im Untergrund: Manchester-Rave, eine wilde Mischung, die im synthetischen Indie-Sound von New Order ihre Urväter fanden. Währenddessen zeigte sich das kleine Königreich Belgien von einem kühlen Electro-Sound begeistert, der EBM und Disco-Musik zu vereinen suchte. Der New Beat wurde geboren.

All diese unterschiedlichen Richtungen sind auf "Burn It Up" herauszuhören - und vor allem eine großartige künstlerische Freiheit, die sich in den Musikproduktionen breit machte. Vor allem auf der zweiten CD finden wir eine große Dichte an Songs, die sich im Dunstkreis von "Pump Up The Volume" befinden. "Beat Dis" von Bomb The Bass, "What Time Is Love" von The KLF, "Theme From S'Express" von S'Express und Coldcut's "Doctorin' The House" sind amtliche Sample-Hits, die belegen, welchen Impact der Song von M/A/R/R/S hatte.

Ohnehin setzt die Zusammenstellung auf die ikonischen Stücke, welche die intensive Zeitspanne vor und nach der Wende musikalisch begleiteten. Der rasante technische Fortschritt, gepaart mit dem Glauben, dass sich nach dem Wegfall der Mauer und dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts die Welt zu einem besseren Ort gestalten würde, hat anscheinend auch in der Clubmusik neue Möglichkeiten ausgelotet und Kräfte freigesetzt.

Zwischen stoischen Beats, coolen Raps, freidrehenden Synthies und jeder Menge Energie hat die tanzende Gemeinde am Vorabend von Mayday und anderen Rave-Großveranstaltungen bereits seine ersten Helden feiern können: Adamski, Nightmares On Wax, Orbital oder 808 State sind nur einige Projekte, die einige Jahre später als Teil der prosperierenden Raving Society den Soundtrack lieferten. Dazwischen finden wir auch einige Bands und Musikschaffende, die man auf so einem Kompendium nicht erwartet hätte. Cabaret Voltaire passen aber mit "Easy Life" ebenso dazu wie Anne Clarkes Remixversion von "Our Darkness". Und selbst The Cures Extended Remix von "Lullaby" ist nicht verkehrt.

Dass auch Mel & Kim sowie Smantha Fox, zwei eher seichte Pop-Vertreterinnen, hier zu hören sind, liegt nicht zuletzt an den Produzenten hinter den Reglern, die den Stücken eine ganz andere Energie verpassen.

M/A/R/R/S übrigens veröffentlichten nur diesen einen Song; die Mitglieder haben sich bereits nach der ersten Veröffentlichung zerstritten. Ihr minimaler Output hat aber gereicht, um der ganzen Dance-Bewegung in Europa und vor allem England einen entscheidenden Schub zu geben.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.11.25 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 12/25>

Webseite:
www.cherryred.co.uk

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COVER © CHERRY RED RECORDS

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