X MARKS THE PEDWALK "INSOMNIA": MIT DER KLARHEIT KOMMT DIE EMOTION
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André Schmechta alias Sevren Ni-Arb hätte es sich so einfach machen können, als er 2010 aus einer fast 15-jährigen Pause wieder auftauchte und mit "Inner Zone Journey" sein Projekt X Marks The Pedwalk wieder auf die musikalische Landkarte packte. Vielen war der schroffe, industrielle Sound seiner Frühwerke noch im Ohr, und sie hätten sicherlich nichts dagegen gehabt, wenn Sevren dort wieder angesetzt hätte. Hat er aber nicht, was einerseits mutig, andererseits aber auch ein logischer Schritt war in seiner künstlerischen Entwicklung.In der Funkstille hat sich die Privatperson Schmechta beruflich umorientiert und ganz klassisch eine Familie gegründet. Diese Ereignisse und die angehäuften Lebensjahre verändern natürlich den Blick auf die Welt und auf einen selbst. Es war also anscheinend an der Zeit, den aggressiven Adoleszenten-EBM beiseite zu schieben und sich auf eine weitere Reise zu begeben - eben auf eine "Inner Zone Journey".
Diese hält seitdem an - mit dem Ergebnis, dass X Marks The Pedwalk nicht mehr die Effekte, sondern die Atmosphäre favorisiert. Auf "Insomnia" erleben wir diesen neu justierten Fokus bereits beim ersten Song "A Heart In The Dark", bei dem Sängerin (und Sevrens Angetraute) Estefanìa unter schleppenden Rhythmen und atmosphärisch dichten Klangwänden in die Rolle eines isolierten lyrischen Ichs schlüpft. Durch metaphorische Bilder und einer intensiv arrangierten Komposition entsteht so die Blaupause einer intimen Innenschau, die idealerweise zur Folge hat, dass die Hörerinnen und Hörer ebenfalls mit einer Selbsterkundung beginnen.
Bereits zu diesem Zeitpunkt wird deutlich, dass sich strenge Elektronik und packende Emotion nicht ausschließen. Der Kritik, synthesizerbasierte Musik sei per se steril und emotionslos, wird in diesem Song sofort der Wind aus den Segeln genommen. Ebenso zeigen sich selbst in den scheinbar weniger sorgenvollen Nummern wie "Feel It Right", das mit herrlichen Retro-Synthiesounds Sevrens Faible für 80er-Musik offenbart, und "Automatic Hero", dem vielleicht heißesten Anwärter auf veritables Clubfutter für die kommenden Monate, stets eine Ebene unter den verchromten Melodien.
Aber, und auch das ist eine Erkenntnis aus "Insomnia", es geht nicht darum, einen nächsten Kracher für die Dunkeldiskotheken zu erschaffen. Die klaren, transparenten Melodien und der stoische Beat sind nicht ausgesucht worden, um verbissen einen veritablen Tanzflächenhit aus dem Boden zu stampfen; sie sind schlichtweg notwendig, um die entsprechenden Emotionen in Klänge zu übersetzen. So ist eben genannter "Automatic Hero" zwar tanzbar, aber auch komplex gestaltet und wird womöglich nicht sofort jeden tanzaffinen Gothic zum Schwofen animieren.
Das allerdings ist die große Stärke von "Insomnia": Das Album sucht unbewusst den Schulterschluss zwischen Heimanlage und Großraumdisko, bleibt aber vor allem ein X Marks The Pedwalk-Album, das die fortschreitende Entwicklung des Musikers, der zuletzt auch mit seinem Sohn alias LMX als Duophonic Noise Construction Songs veröffentlichte, dokumentiert. Scheinbar ist die kreative Kraft von Sevren Ni-Arb nicht nur noch lange nicht versiegt, sondern durch die lange Pause sowie die weiteren Projekte noch mehr stimuliert worden. "Insomnia" jedenfalls ist ein verdammt gutes Album.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.11.23 | KONTAKT | WEITER: ULTRAVOX "THE COLLECTION (DELUXE EDITION)">
Webseite:
www.x-mtp.com
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Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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